Zeichen der Hoffnung

Aktion Silbermöwe setzt Zeichen der Hoffnung
Seit mehr als fünfzig Jahren stehen Leserinnen und Leser der Speyerer Bistumszeitung an der Seite der Armen.
„Es zeichnet unsere Diözese aus, dass viele Menschen und Gruppen über den eigenen Kirchturm hinaus denken, dass sie offen und sensibel sind für ihre Mitmenschen in der Einen Welt“, so schreibt Weihbischof Otto Georgens. Und er ergänzt: „Die ‚Aktion Silbermöwe‘ sie ist einmalig in der deutschen Presselandschaft und in den deutschen Bistümern.“ Seit mehr als 50 Jahren leisten die Leserinnen und Leser der Speyerer Bistumszeitung „der pilger“ über die Aktion Silbermöwe Hilfe für notleidende Menschen in den Ländern des armen Südens. Allein in den zurückliegenden zehn Jahren konnten über das Leser-Hilfswerk Projekte in mehr als 40 Ländern der Erde mit fast neun Millionen Euro gefördert werden.
Die Welt braucht Solidarität
Die Welt braucht dringend diese Art von Solidarität, denn sie ist in keinem guten Zustand: Katastrophen – oft von Menschen verursacht –, Krisen und Kriege, Hunger und Armut, Ausbeutung und Verletzung elementarer Menschenrechte. Wie eine Folie legen sich die Negativ-Nachrichten und Bilder auch über positive Entwicklungen. Menschen, denen die Lebenssituation der Armen in den Ländern des Südens nicht gleichgültig ist, beschleicht nicht selten ein Gefühl der Ohnmacht. Hat mein Engagement überhaupt einen Sinn? Zudem sehen viele einen Zwiespalt zwischen Barmherzigkeit, ihrem persönlichen Mitleiden, sowie der notwendigen hohen Professionalität von Hilfe angesichts der großen Herausforderungen. Eine verständliche, nachvollziehbare Fragestellung, aber da besteht kein Dilemma. Denn Barmherzigkeit – ganz persönlich gemeint – ist der christliche Grundimpuls dem notleidenden Nächsten in Solidarität zugewandt zu sein. Barmherzigkeit ist die „Währung“ aller Hilfe, die Grundlage auch zur Sicherstellung einer qualifizierten und professionellen Not und Entwicklungsarbeit, etwa durch die kirchlichen Hilfswerke. Die noch so kleine Spende, der Beitrag zur Kollekte oder der Dauerauftrag für die Projekte eines Missionars aus der Pfarrgemeinde – sie fallen in kein Fass ohne Boden, sondern sie bereiten den Boden für solidarisches, mitmenschliches Handeln im Sinne des Evangeliums. Auf dieser Erfahrung fußt die Hilfe durch die „Aktion Silbermöwe“. Sie „läuft“ vor allem über Missionarinnen und Missionare aus dem Bistum Speyer, über Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfer und diözesane Initiativen. Eng ist zudem die Zusammenarbeit mit den großen kirchlichen Hilfswerken – besonders bei Katastrophenfällen. Die Liste der Hilfsprojekte ist lang. Sie reicht von Initiativen für Straßenkinder in Afrika, Lateinamerika und Asien, die Förderung von Schulen, Ausbildungsprojekten und Krankenstationen, die Unterstützung von Umwelt und Kriegsflüchtlingen bis zur Soforthilfe bei Kriegs- und Naturkatastrophen.
Kirche als „Global Player“
Was macht die Arbeit für die Menschen in den armen Ländern des Südens erfolgreich? Die Kirche als wirklicher „Global Player“ hat hier beste Voraussetzungen. Martin Bröckelmann-Simon von Misereor erläutert in einem Interview mit dem Magazin „Weltsichten“ Arbeit und „Erfolgsrezept“ so: „Kirche verfügt über ein weitgefächertes Netz von Partnern, das uns in die hintersten Winkel der Welt an die Seite der Armen bringt. Das ist ein bisschen wie beim Wettlauf von Hase und Igel: Wir sind, wie der Igel, gut vernetzt immer schon da. Ein zweiter Punkt ist die besondere Kraftquelle unserer Spiritualität, die uns und unsere Partner verbindet und uns gemeinsam auch in schweren Zeiten nicht entmutigen lässt: Wir sind sozusagen das Institution gewordene Prinzip Hoffnung.“ Zeichen der Hoffnung setzen, Einbahnstraßen zwischen Nord und Süd überwinden, die Gerechtigkeitsfrage in den Blick rücken, darin sieht die Aktion Silbermöwe“ ihre Aufgabe. Die Geldspenden gehen direkt an die Empfänger. Alle anfallenden Arbeiten werden von der Redaktion des „pilger“ in enger Zusammenarbeit mit der Diözesanstelle für weltkirchliche Aufgaben und der Bischöflichen Finanzkammer im Ordinariat erledigt; die Liga-Bank übernimmt die Überweisungen. Was mit dem Geld passiert, wo das Engagement Zeichen der Solidarität setzt, erfahren die Spender unter anderem durch Briefe der Missionare und Entwicklungshelfer, die im „pilger“ abgedruckt werden. So wird die „Aktion Silbermöwe“ zu einer Kommunikationsplattform zwischen den Helfern in der sogenannten „Dritten Welt“, den Menschen dort und den engagierten Katholiken im Bistum.
Für Gerechtigkeit, gegen Armut
In vielen Gemeinden des Bistums Speyer engagieren sich Gruppen, Initiativen und Einzelpersonen für die Solidarität mit Menschen in den Ländern des Südens. So werden auch viele Hungermärsche über die „Aktion Silbermöwe“ abgewickelt. „pilger“ und Aktion Silbermöwe verstehen sich als eine Art „Dienstleister“. Ziel ist immer: „Wir wollen einen Beitrag leisten im Kampf um mehr Gerechtigkeit in der Welt und beim Kampf gegen die Armut, die Menschen ihre Würde nimmt und sie jeder Hoffnung auf Zukunft beraubt“, so heißt es in einer Informationsschrift. Die „Aktion Silbermöwe“ fördere Projekte, bei denen die Armutsbekämpfung im Mittelpunkt steht. Ihr gehe es darum, dass die Hilfe direkt bei den Menschen ankommt.
Ursachen der Armut
An der Seite der Menschen zu sein, die Armut und Ungerechtigkeit langfristig überwinden wollen und dazu Unterstützung brauchen, setzt voraus, die Ursachen von Unterentwicklung und Ausgrenzung in den Blick zu nehmen. Dazu gehört auch, „den Mächtigen in Politik und Wirtschaft ins Gewissen zu reden“, wie es Kardinal Joseph Frings bei der Gründung des Hilfswerks Misereor geradezu visionär formuliert hat. „Es genügt in unserer globalisierten Welt nicht mehr, Menschen das Fischen zu lehren, statt Fische zu verteilen. Man hat dann zwar gut ausgebildete Fischer, aber die stoßen schnell an Grenzen, weil ihnen der Zugang zu den Fischgründen verwehrt wird, sie von den Marktpreisen nicht leben können und sie keinen Einfluss auf die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse haben“, so Martin Bröckelmann-Simon von Misereor. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen verändert und Abhängigkeiten beseitigt werden, damit der Teufelskreis von Unterentwicklung und Perspektivlosigkeit nachhaltig durchbrochen werden kann. Richtig ist auch: Die Unterentwicklung in der Welt hängt eng mit uns und dem Lebensstil in den Industrienationen zusammen. Auch dieses Thema gilt es in den Blick zu nehmen. Jeder einzelne im immer noch reichen Norden kann etwa durch sein Konsumverhalten hierzu beitragen – und durch seine Entscheidung an der Wahlurne natürlich ebenso.
Gebet und Solidarität
Grundsätzlich geht es um einen Dreiklang: Zuerst um die im Sinne des Wortes „Not wendende Hilfe“; zum Zweiten um die Analyse und Bekämpfung der Ursachen von Armut und Unterentwicklung; zum Dritten – und das mag manchen verwundern – um das Gebet. Das Gebet lehrt, die Welt durch die Brille Gottes zu sehen. Es beeinflusst maßgeblich die Haltung, in der wir etwas tun. Wenn ich vor Gott meine Umgebung, die Lebenswirklichkeiten von Menschen und die Bedingungen einer sich verändernden, globalisierten Welt wahrnehme, dann hat das Konsequenzen. Nebensächlichkeiten rücken in den Hintergrund und das Menschen Verbindende, die Möglichkeiten des eigenen Engagements und das zum Beispiel einer Pfarrgemeinde kommen in unser Blickfeld. „Weil wir vor Gott beten, darum tun wir es auch in seinem Namen. Wir folgen dem nach, der Menschen hingebungsvoll und sensibel wahrnahm und mit seinem Blick eine Perspektive eröffnete, die bisher für die anderen nicht erkennbar war. Blinde wurden nicht nur sehend, sie sahen vor allem einen Weg.“ (Wolfgang Vogelmann in: „Zur Zukunft des kirchlichen Entwicklungsdienstes, 2009) Was kann das konkret heißen? Eine tiefe Erfahrung bieten Gebetsgemeinschaften. Wenn zum Beispiel zwei Partnergemeinden – etwa in Deutschland und in einem afrikanischen Land – vereinbaren, jeweils in den Gottesdiensten an einem bestimmten Sonntag im Monat füreinander zu beten, die Anliegen, Sorgen und Freuden der Partner in den Blick zu nehmen, dann schlägt das ebenso feste und tragfähige Brücken wie gegenseitige Besuche. Auch an ein gemeinsames „Partnerschaftsgebet“ wäre zu denken oder an Fürbitten – jenseits der Oberflächlichkeiten, die man in diesem Zusammenhang oft bei uns in Gottesdiensten hört.
Eine andere Welt ist möglich
Kontakte, Begegnungen, Nähe zu Menschen, die in unterschiedlichen Lebens- und Glaubenssituationen leben – beide Seiten können voneinander lernen. So wächst Partnerschaft, so werden beide Seiten zu Sendern und Empfängern der Freudenbotschaft Jesu. So zeigen sie: Eine andere Welt ist möglich.