KEB

Donnerstag, 29. September 2022

Liturgie, oder nicht?

Die flämischen Bischöfe und die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften

 

März 2021: Die Glaubenskongregation veröffentlicht ein Schreiben, das besagt, die Kirche habe keine Vollmacht zur Segnung homosexueller Paare.

Im deutschsprachigen Raum löst das ein kirchenpolitisches Erdbeben aus. Pfarrer sind empört, Bischöfe entrüstet, Gläubige schockiert, Professor*innen entsetzt. Es formiert sich deutlicher Widerstand. Die Aktion #liebegewinnt ruft schließlich zu öffentlichen Segnungsgottesdiensten auf.

Inzwischen ist es um diese Entscheidung wieder etwas ruhiger geworden – was nicht heißt, dass das Thema vom Tisch ist. Probleme lösen sich eben nicht von selbst oder verschwinden einfach von der Bildfläche. Das hat auch die 4. Synodalversammlung des Synodalen Weges in Deutschland Anfang September gezeigt: Hier wurde der Grundlagentext zur Sexualmoral abgelehnt, weil sich keine 2/3-Mehrheit der Bischöfe finden konnte – was wiederum Empörung und viele Tränen nach sich gezogen hat.

In diese Situation hinein haben nun die flämischen Bischöfe am Dienstag voriger Woche einen Vorschlag für kirchliche Segnungen homosexueller Paare veröffentlicht und sind am Mittwoch – nachdem viele darin einen erfreulichen, nie dagewesenen Vorstoß gegen Rom sahen – direkt wieder zurückgerudert, es handle sich nicht um eine Liturgie. Natürlich waren auch hier Enttäuschung und Verunsicherung wieder groß…

Ja was denn nun? Ist das nun ein Vorstoß oder nicht?

Nun kann ich natürlich nicht in die Köpfe der flämischen Bischöfe schauen, will aber doch versuchen, die Situation hier ein wenig einzuordnen.

Was ist denn nun wirklich Liturgie und was nicht?

Das trennscharf zu klären, ist leider – wie oftmals in der Kirche – gar nicht so einfach…

Zunächst bezeichnet Liturgie die gottesdienstliche Versammlung der Gemeinde, in der sich Gott in Wort und Sakrament dem Menschen heilswirksam zuwendet, worauf der erlöste Mensch in einen dankbaren Lobpreis einstimmen kann – so viel zur Theologie.

Nun zum deutlich komplizierteren Kirchenrecht: Die Entscheidung darüber, wie Liturgie „aussehen“ darf, lag vor dem II. Vatikanischen Konzil ausschließlich beim Papst. Alles, was also nicht vom Papst approbiert – also erlaubt und herausgegeben – war, war infolgedessen keine Liturgie. Die „Liturgische Bewegung“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entdeckte aber die Rolle aller Getauften wieder, die die Liturgie der Kirche maßgeblich mittragen. Damit geriet die sehr papst-zentrierte Sicht in eine Krise. Man umschrieb in der Folge gottesdienstliche Feiern auf Ebene der Ortskirchen (also in Bistümern und ohne Genehmigung Roms) als „Gottesdienst der Kirche“ und machte sich damit frei von einem allzu starken römischen Korsett. Das II. Vatikanische Konzil verzichtete in seinen Dokumenten auf eine eindeutige Klärung und behielt damit den Spielraum bei. Im Codex Iuris Canonici (dem kirchlichen Gesetzbuch, kurz CIC) von 1983 wird festgehalten, dass die Regelung der Liturgie allein dem Papst zusteht, so müssen auch die liturgischen Bücher (also beispielsweise das Messbuch) von Rom approbiert werden (can. 838) – Kleiner Exkurs am Rande: Selbst das neue Gotteslob wurde in Rom vorgelegt. Damals noch ohne Bilder, was Papst Benedikt nicht gefallen hat, sodass wir heute Zeichnungen darin finden. In wenigen Ausnahmefällen hat auch der Bischof die Möglichkeit, Liturgie anzupassen und einzelne vom gesamtkirchlichen Recht nicht geregelte Aspekte zu erlassen. Darüber hinaus gibt es natürlich auch noch unzählige andere Formen von Gebeten und Feiern, die nicht erst auf dem Schreibtisch des Apostolischen Stuhls landen müssen. Wenn Sie und ich uns zum Beispiel am Sonntag um eine angezündete Kerze versammeln und einen kleinen Gottesdienst feiern, den wir aus den Texten des Tages und unseren Lieblingsliedern und Gebeten selbst nach einem eigenen Ablauf zusammengestellt haben, dann müssen wir unser Skript natürlich nicht erst nach Rom schicken. Allerdings müssen wir dann damit klarkommen, dass unser Gottesdienst nicht zur Liturgie im amtlichen Sinne zu zählen ist, was wohl ein verschmerzbares Übel sein dürfte...

Die flämischen Bischöfe nutzen diesen Spielraum gekonnt – ob bewusst oder unbewusst sei einmal dahingestellt. „Natürlich handelt es sich hierbei um eine gottesdienstliche Feier, die sakramentalen Charakter hat. Die klassische Theologie bezeichnet dies als Sakramentalie. Der Vorschlag der flämischen Bischöfe beinhaltet die Grundelemente eines Gottesdienstes mit Eröffnung, Gebet, Schriftlesung, gemeinsamer Bitte der Beiden um das Gelingen ihrer Beziehung in Treue mit anschließendem Gebet der Gemeinde für die Beiden. Im Anschluss folgen Fürbitten, ein Schlussgebet und der Segen. Man unterscheidet hier wohl zwischen einer offiziellen, approbierten Liturgie, die eine Bestätigung aus Rom bräuchte und einem praktischen Vorschlag. Dass es aber keine Liturgie sei, kann man aus liturgietheologischer Sicht nicht folgern. Müsste nicht vielmehr danach gefragt werden, was diese Feier vor Gott zählt. Er ruft die beiden durch sein gnadenhaftes Wirken zum gemeinsamen Leben, er schenkt Freundschaft und Treuekraft, mit der sich zwei Partner:innen gegenseitig überantworten. Damit begründen sie einen Lebensentwurf und bauen dabei auf Gott, rufen ihn als Grund ihrer Beziehung und als Begleiter an. Die versammelte Gemeinschaft steht für die beiden im Gebet vor Gott ein, damit er bestärke, was als Geschenk von ihm her an den Beiden erkannt wird und zum Segen für andere werden möchte“, so sagt der Liturgiewissenschaftler Ewald Volgger in einem Interview bei katholisch.de.
Was hier also passiert, ist augenscheinlich Folgendes: Kirchenrechtliche Norm und Liturgietheologie prallen aufeinander. Zwar ist die Feier nicht von Rom approbiert, aber sie tut dennoch das, was der Liturgie eigen ist.

Eine Unterhaltung zwischen zwei belgischen Bischöfen könnte sich also so zugetragen haben:

„Hör mal“, sagt Bischof A zu Bischof B, „findest du nicht, dass wir noch einmal etwas in der Sache ‚Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften‘ unternehmen sollten? Wir haben damals laut protestiert, aber damit ist den Paaren ja auch nicht geholfen – und unseren Mitarbeiter*innen in der Pastoral auch nicht.“

„Du hast recht…“, Bischof B legt die Stirn in Falten und kratzt sich am Kinn, „wir könnten einfach einen Entwurf für Segnungsfeiern herausgeben. Wenn wir das als Bischöfe tun, muss es kirchenpolitisch wahrgenommen werden. Vielleicht bewegt sich dann etwas.“

„Hm… Mich überzeugt das nicht. Wir stellen uns damit gegen Rom… Außerdem: Das wird doch nicht approbiert…“, meint Bischof A.

„Mag sein…“, Bischof B grinst, „aber muss es das denn? Theologisch ist doch alles klar, Gottes Liebe schließt niemanden aus. Am Ende steht ein Segen. Was will man mehr? Wir geben den Entwurf heraus, damit die Gläubigen gemeinsam einen Gottesdienst feiern können. – Und wenn uns irgendjemand fragt, dann verweisen wir einfach auf das Kirchenrecht und sind fein raus. Was soll schon passieren?!“

Natürlich habe ich keine Ahnung, ob sich das so zugetragen hat, die Unterhaltung entspringt allein meiner Phantasie. Aber sie zeigt, wie kirchenpolitische Argumentationen oft laufen: Es gibt eine Vorgabe aus Rom und irgendwelche klugen Menschen kennen drei Hintertürchen im Kirchenrecht oder der langen Tradition, die man nutzen kann. Wohl dem, der Texte zu interpretieren weiß…

Daran, dass diese Eiertänze fürchterlich umständlich sind, besteht kein Zweifel. Was aber genauso klar ist: Nur wer sich in der Kirche die Mühe macht, immer wieder diese Grauzonen auszunutzen, kann etwas verändern.

Insofern – sei es geplant gewesen oder nicht –: Vielen Dank nach Belgien!

 

Sonja Haub
Bildungsreferentin Katholische Erwachsenenbildung Pfalz

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