Freitag, 19. Mai 2023
Ich gehe. Ich bleibe.
Lukas Färber war als einer der 15 jüngeren Menschen Mitglied der Synodalversammlung des Synodalen Wegs. Er setzte sich dort in den vergangenen drei Jahren intensiv für Reformen in der katholischen Kirche ein – und erklärte diese Woche seinen Austritt aus der katholischen Kirche. Mit seiner freundlichen Zustimmung dokumentieren wir hier seine auf Facebook veröffentlichte Begründung für diesen Schritt:
„Heute habe ich beim Amtsgericht in Münster meinen Austritt aus der katholischen Amtskirche erklärt. Warum? Das möchte ich euch hier erklären.
Seit ich denken kann, wachse ich in und mit der katholischen Kirche auf. Über 15 Jahre engagiere ich mich ehrenamtlich. Erst als Messdiener, dann in der KLJB im Sauerland als Gruppenleiter und geistliche Leitung der Ortsgruppe, in der Firmvorbereitung, im Prozess der Pastoralen Räume. Später in Münster als Diözesanleitung der KjG und im Synodalen Weg als einer der "15U30". Ich arbeite voller Überzeugung hauptamtlich für den BDKJ und die 72-Stunden-Aktion. Schon zu Beginn möchte ich klar machen: Dieses Engagement endet heute nicht. Ich bin und bleibe überzeugter KjGler, BDKJler, Jugendverbandler.
Die katholischen Jugendverbände. Sie gehören zu meiner Identität und sie sind ein großes Stück Heimat für mich. Sie haben meinen moralischen Kompass maßgeblich mitgeprägt. Dort habe ich lebendige Demokratie gelernt und mich politisiert. Durch das Engagement habe ich die Motivation gesammelt und das Handwerkszeug gelernt, um mich einzubringen und mitzuarbeiten an einer besseren und gerechteren Kirche und Welt. Aus dem Glauben heraus, auf der Grundlage der christlichen Botschaft, die diese Amtskirche, aus der ich heute austrete, in all ihrem Tun und Reden eigentlich verkünden sollte.
Eigentlich. Mein Engagement hat mir auch gezeigt, dass mein Verständnis von Christ*insein, von Glauben, von Kirche wenig mit dem zu tun hat, was die Amtskirche lehrt und was sich in ihrem Handeln niederschlägt. Die systemische sexualisierte Gewalt ist der grausamste Auswuchs dieses machtvollen und machtversessenen Systems. Die Misogynie und Queerfeindlichkeit, die fester Teil des Systems der katholischen Amtskirche sind, zeigen weltweit ihre leidvollen Auswirkungen. Absolutistische und intransparente Machtstrukturen ermöglichen diese Diskriminierung und Gewalt und verhindern die notwendigen Reformen. Für die Botschaft der Gerechtigkeit, der Freiheit, der Solidarität, der Liebe ist da kaum Platz.
Reformen. Dafür habe ich mit vielen anderen wundervollen und inspirierenden Katholik*innen auf dem Synodalen Weg und in den Verbänden gekämpft. Uns verband das von vornherein unrealistische Ziel die systemischen Ursachen sexualisierter Gewalt zu zerschlagen. Am Ende standen einige wenige gute Texte, viel zu viele weichgewaschene "Kompromisse" - oder eher: Kapitulationen? - und vor allem: keinerlei Verbindlichkeiten.
Für mich war es - bei allen bestärkenden Erlebnissen und den Bündnissen, die wir knüpfen konnten - vor allem eine Ohnmachtserfahrung. Mir wurde immer bewusster, dass diese Amtskirche kaum reformierbar ist. Wiederholt habe ich mich gefragt, ob die Mitgliedschaft in dieser Amtskirche noch mit meinem christlichen Moralverständnis vereinbar ist.
Nicht zuletzt waren es auch persönliche und indirekte Diskriminierungserfahrungen, durch die ich mich mehr und mehr von der Amtskirche distanziert habe - im Gespräch mit Bischöfen und anderen Klerikern, durch Kommentare und Zuschriften rechter Katholik*innen. Dabei bin ich mir sehr bewusst, dass ich als schwuler, weißer Cis-Mann noch zu einer relativ privilegierten Gruppe innerhalb dieses Systems multipler Diskriminierung gehöre. Ich habe tiefen Respekt für alle, die noch viel mehr darunter leiden und trotzdem in dieser Amtskirche bleiben.
Ich gehe. Ich gehe nicht wegen der Steuern oder aus Bequemlichkeit. Im Gegenteil: es war keine leichte Entscheidung. Sie tut weh und doch habe ich das beruhigende Gefühl, für mich das Richtige zu tun. Denn diese Entscheidung ist über Jahre in mir gereift. Ich habe mit all meiner Kraft versucht, meinen Beitrag zur Veränderung in dieser Amtskirche beizutragen. Sie zu einer Institution zu machen, die ihre Potentiale nutzt, um gegen Diskriminierung und für die Würde des Menschen einzutreten. Sie zu einer glaubwürdigen Stimme der Gerechtigkeit in einer ungerechten Welt zu machen. Jetzt zu gehen ist meine persönliche Entscheidung und ich kann jede*n verstehen, der*die bleibt und von innen heraus weiterkämpft. Ich bin unendlich dankbar, dass es euch gibt. Ihr gebt Menschen - und auch mir - Hoffnung. Ihr seid die Spinner*innen, Träumer*innen, Botschafter*innen die diese Kirche braucht.
Ich bleibe. Ich bin und bleibe getauft. Ich bin und bleibe Christ. Ich bin und bleibe Jugendverbandler. Ich bin und bleibe Träumer und Botschafter für eine gerechte Kirche und Welt. Ich hoffe ihr könnt nachvollziehen, warum ich das für mich nicht mehr mit der Amtskirche vereinbaren kann.“
Lukas Färber
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