Mittwoch, 02. März 2022
Gott allein!

Jan Brueghel der Ältere: Weite Gebirgslandschaft mit der Versuchung Christi. Ölgemälde auf Leinwand, um 1600 entstanden, in Privatbesitz. (Foto: Wikimedia Commons (gemeinfrei))
Nur ihm kann das anbetende Ja des Gebets gelten
Die Versuchungsgeschichte steht zwischen der Taufe Jesu und dem Beginn seines öffentlichen Wirkens. Sie ist wie ein Scharnier zwischen dem „verborgenen Leben“ des Zimmermanns in Nazareth und seinem öffentlichen Auftreten als Wanderprediger: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe, kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15).
Bereits hier zeichnet sich der Passionsweg Jesu ab: Er führt vom Jordan über Jericho hoch in die judäischen Berge, über den Ölberg zum Jerusalemer Tempel. Hier wird sich alles erfüllen: Kreuz und – Auferstehung. Bevor er seinen Weg beginnt, die Verkündigung der Frohen Botschaft, will ihn der Teufel davon abbringen. Er ist der Feind der Menschen, der Satan, der Ankläger, der Versucher. Ich kann ihn erkennen in Goethes Mephistopheles, charismatisch, verführerisch und – böse: „Ich bin der Geist der stets verneint! Und das mit Recht; dann alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht“. Und vernichten will er. Mensch und Welt!
Dreimal versucht er Jesus. Dreimal will er ihn zum Bruch mit Gott bewegen, ihn gegen den, der ihn „mein geliebter Sohn“ (Lk 2,23) nennt, aufhetzen, ihn zur Ablehnung seiner eigenen Identität bewegen als der, in dem Gott mit seiner ganzen Fülle wohnen wollte (Kol 1,19). Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Entmachtung Gottes, um seine Entfernung aus der Welt, um die Verhinderung des großen Erlösungswerks Gottes.
Aber der Heilige Geist ist mit Jesus. Er führt ihn in die Wüste, er führt ihn durch die Versuchungen. Sie sind gleichsam das Feuer, in dem er Kraft, Bewahrung und Orientierung für seine Aufgabe der Verkündigung des Evangeliums erfährt. Schließlich lässt der Satan von ihm ab – „bis zur bestimmten Zeit.“
„Mache aus Steinen Brot!“, fordert ihn der Teufel auf. Durchbrich den natürlichen Gang von Schöpfung und Leben zur Sättigung deines Verlangens, deiner rein menschlichen Sehnsüchte! Du kannst es doch! Es ist der Versuch, Jesus zum Missbrauch seiner göttlichen Vollmacht zu verleiten. Jesus ist hungrig, geschwächt, aber nicht innerlich leer und offen für „Ersatzfüllungen“ wie materiellen Reichtum und weltliches Ansehen, die keinen spirituellen Hunger sättigen können. „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ (Mt 4,4).
Die ganze Welt, alle Macht und Herrlichkeit will ich dir geben, verspricht der Teufel in seinem zweiten Versuch. Er will den Machttrieb – den in seinen Folgen verheerendsten aller Triebe des Menschen – in Jesus wecken. Er verspricht Machtfülle, um ihn zu befriedigen. Er verlangt nur eines: Bete mich an! Schwör‘ deinem Gott ab! Dann kannst du selbst als Quasigott herrschen über die Welt. Verkauf mir deine Seele, dann gebe ich dir alles! Aber du gehörst mir! Jesus antwortet klar und ohne zu zögern: Gott allein! Kein Götze, kein Gottesersatz, keine innerweltlichen Erlösungsmythen. Gott allein ist die Lebensfülle für Welt und Mensch. Nur ihm kann das anbetende, das liebend-antwortende Ja des Gebets gelten.
Die dritte Versuchung ist die blasphemischste aller Gottesleugnungen: Wirf Dich hinunter in die Tiefe, Gott wird dich retten! Gott würde so zum Spielball, zur Verfügungsmasse des Willens Jesu werden. Jesus würde sich über Gott stellen. Er würde auch seine eigene Identität als Sohn Gottes zerstören, der gekommen ist, Welt und Mensch die heilende, befreiende, froh machende Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden. Er, der ganz aus dem Willen des Vaters lebt, dafür auch den Weg zum Kreuz auf sich nimmt. Eine Welt ohne das Kreuz? Eine Welt ohne Auferstehung? Satan hätte sein Ziel erreicht, Gott als irrelevant aus der Welt eliminiert. Lese ich diese Verse, denke ich, wie weit ist die Welt schon damit gekommen. Die Strahlkraft Mephistos auf uns Menschen ist ungeheuer. Doch Jesus antwortet: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.“ Faust hat noch eine Chance.
Drei Versuchungen Jesu begegnen uns: Reichtum, Macht und Hochmut. Wir kennen sie auch. Wie gerne genießen wir den Reichtum, wie gerne das süße Gift der Macht und wie oft erheben wir uns über andere? Da ist es gut, ein Gebet zu kennen, das uns Orientierung verschafft: das Vaterunser. Lukas setzt mit seiner Fassung ein Programm gegen Mephisto: Anstatt aus Steinen Brot zu machen, dürfen wir täglich Gott um Brot und alles, was wir brauchen, bitten. Anstatt cäsarenhaft die ganze Welt beherrschen und den Willen der Menschen brechen zu wollen, verkündigen wir das Reich Gottes für die Armen, Friedfertigen und Schwachen (Mt 5,1ff). Und zum Dritten: Jeder Versuch von Menschen, sich an die Stelle Gottes zu setzen, endete in Katastrophen und brachialem Morden. „Jesus Christus ist der Herr!“, so bekennen die ersten Christen. Er ist auch Herr über den Versucher! Davon zeugen Jesu Dämonenaustreibungen.
Die Dämonen von heute sind noch auszutreiben. Viele Machthaber – große und kleine – haben Angst vor dem Christentum. Sie spüren seine austreibende Macht.
(Thomas bettinger)