Mittwoch, 12. Oktober 2022
Ein Pfälzer Gastgeber in Assisi

Aus Westrichtung gesehen präsentiert sich Assisi eindrucksvoll als befestigte Stadtanlage des Mittelalters. (Foto: Freesurf/AdobeStock.com)

Ein Moment der Einkehr: Pilgerseelsorger Thomas Freidel am frühen Morgen mit Gebetbuch in der Basilika San Francesco in Assisi. (Foto: Francesco Pistilli/KNA)
Franziskaner-Minorit Thomas Freidel aus Fußgönheim: Als einziger deutscher Pilgerseelsorger in Umbrien
Rund fünf Millionen Besucher empfängt das kleine umbrische Städtchen Assisi pro Jahr. Darunter sind ab Mitte des Monats auch die Pilgerinnen und Pilger der diesjährigen Speyerer Diözesan-Wallfahrt (13. bis 23. Oktober). Auf die Gäste aus dem Bistum Speyer wird ein Mann sich wohl ganz besonders freuen: Diakon Thomas Freidel. Der Franziskaner-Minoritenbruder kümmert sich um die Anliegen der vielen Deutschen im Geburtsort des heiligen Franz von Assisi – als Pilgerseelsorger.
Um kurz nach sechs ist es noch still in Assisi. Der steile Weg hoch zur Basilika San Francesco ist menschenleer. Die Pilger schlafen; die Busse für die Tagestouristen stehen noch in den Depots. Die Franziskaner sind schon wach. Ein grauer oder schwarzer Habit nach dem anderen huscht zum Morgengebet. Auch Bruder Thomas Freidel. Es sind die letzten ruhigen Minuten des Tages für den gebürtigen Vorderpfälzer.
Der Franziskaner-Minorit ist seit 14 Jahren deutscher Pilgerseelsorger in Assisi, dem Geburtsort des heiligen Franziskus, Namensgeber für den aktuellen Papst. Rund fünf Millionen Menschen besuchen das umbrische Städtchen jedes Jahr – bei gut 28 000 Einwohnern. Bruder Thomas allein kommt auf 10 000 bis 12 000 persönliche Begegnungen jährlich.
Der 54-Jährige ist eine Art deutsch-italienische Ein-Mann-Show in Gemeinschaft. Als einziger deutscher Franziskaner ist er in Assisi Ansprechpartner für die Anliegen deutschsprachiger Besucher – vom Einzelpilger bis zur großen Gruppe. Bis zu vier Führungen organisiert und macht er am Tag. Zugleich lebt und betet er mit Mitbrüdern aus aller Welt zusammen. Eine kleine Reise-Gruppe hat sich versammelt. Sie wollen sich von Bruder Thomas die Basilika zeigen lassen. Dort, wo der Ordensmann am Morgen in aller Ruhe betete, herrscht inzwischen reger Betrieb. Zwischen buntbemalten Wänden ist munteres Stimmengewirr zu hören.
Führungen anzubieten und Seelsorger zu sein, passt für den Minoriten sehr gut zusammen: „Wir sehen die Führungen als Seelsorge-Dienst, als Glaubensverkündigung. Der Kern ist immer das religiöse Fundament“, erklärt er. So komme es auch immer wieder zu berührenden Momenten. Etwa wenn die Menschen ihr Leben in den Geschichten der Fresken wiederfänden; wenn sie merkten: Hier geht es um Fragen, die auch sie berühren.
Wenn sich der Franziskaner nicht gerade um Deutsche kümmert, beschäftigt er sich mit seinem Zweitjob: Er ist zugleich Direktor des Basilika-Museums. Kostbare Stücke sind hier ausgestellt, etwa das Werk „Der heilige Franziskus und die vier Wunder nach seinem Tod“; eine bemalte Holztafel, auf der Franziskus nach seinem Tod gewaschen worden sein soll.
Wenn Bruder Thomas über die Werke spricht, glänzen seine Augen. „Der ‚alte Krempel‘ hat mich schon immer interessiert“, erzählt er. Sein Vater habe in seinem Geburtsort Fußgönheim einen Heimatverein und ein Museum gegründet. „Da war ich familiär vorbelastet“, sagt der Ordensmann lachend. Vor zwei Jahren hat er den Posten als Direktor angetreten.
Nach Assisi kam er 2008 eher zufällig. Nach seiner Diakonenweihe arbeitete der Ordensmann elf Jahre in einer Pfarrei in Kaiserslautern; und hielt Vorträge auch über die Fresken in Assisi. Das Zusammenspiel von Kunst und Verkündigung sei immer eine Leidenschaft von ihm gewesen, erzählt Bruder Thomas. Italienisch habe er nur gelernt, um Quellen und wissenschaftliche Arbeiten über Franz von Assisi lesen zu können. Damals sei es für ihn an der Zeit gewesen, etwas Neues zu machen. Zeitgleich sei in Assisi ein Nachfolger für den 80-jährigen deutschen Pilgerseelsorger gesucht worden. „Ich habe angeboten, die Aufgabe zu übernehmen, und seitdem bin ich hier“, so der Minorit. Zwei Sorten Ordensmänner kämen nach Assisi: Die einen blieben für ein paar Jahre am Ursprungsort des Ordens und gingen wieder weg. Bei anderen passe einfach alles. Zu dieser Kategorie gehöre er.
Speziell ist das Leben in Assisi durchaus: Leben die Ordensmänner normalerweise in kleinen Gemeinschaften von etwa fünf Mitbrüdern, sind es hier 55. Sie kommen aus Sambia und Argentinien, von den Philippinen, aus Vietnam und Indien. Sprache, Sitten und Gebräuche sind italienisch.
Eine weitere Besonderheit: Die Ordensbrüder gehen nicht raus; die Menschen kommen zu ihnen. Manchmal gebe es Monate, da verlasse er Assisi gar nicht, erzählt Bruder Thomas. Er persönlich sieht es als große Chance. „Überall in der Kirche wird geklagt, dass niemand mehr kommt. Uns laufen sie die Türen ein“, so der Bruder.
Assisi zu verlassen, das kann sich der Franziskaner gerade nicht vorstellen. Grundsätzlich hält der 54-Jährige ohnehin nicht viel von übertriebener Planung. Vieles ergebe sich einfach, und das sei gut. „Man muss halt ein bisschen verrückt sein, dann geht‘s“, meint er lachend.
(Severina Bartonitschek/KNA)