Donnerstag, 08. Dezember 2022
Wer nicht fragt, erhält keine Antwort

Eine Kerze, die dritte im Kranz oder Gesteck, trägt das Rosa der Freude, denn dieser dritte Adventssonntag ist der Sonntag „Gaudete“, so genannt nach dem Ruf „Freut euch!“ in der Liturgie an diesem Tag: Mitten im Advent klingt die „große Freude“ an, die der Engel den Hirten in Betlehem verkündet, wie es im Lukas-Evangelium 2,10 zu lesen ist. Die Tradition mit den Kerzen in violett und in rosa wird in manchen Kirchen gepflegt, so etwa auch im Speyerer Dom. (Foto: Natalia/AdobeStock.com)
Gerade die existentiellen Fragen sind notwendig, weil die Antworten lebenswichtig sind
„Der, die, das, wer, wie, was. Wieso, weshalb, warum? – Wer nicht fragt, bleibt dumm.“ Vielleicht erinnern Sie sich noch an das Titellied der Kinderserie Sesamstraße. Ganze Generationen werden seit über fünfzig Jahren mit Ernie, Bert und dem Krümelmonster groß. Ziel der Serie war von Anfang an die unterhaltsame Vermittlung von Wissen.
Der Mensch ist, soweit wir das wissen, das einzige Lebewesen auf der Erde, das Fragen stellt. Diese menschliche Eigenart beginnt schon im Kleinkindalter und zieht sich wie ein roter Faden bis ins hohe Greisenalter durch. Mal beiläufig, mal zielsicher, mal provokant und mal offen und ehrlich werden die kleinen und großen Fragen des Lebens gestellt. Das Ziel von Fragen ist in der Regel das Erlangen eines Wissenszuwachses und das Herstellen von Klarheit. Von besonderer, persönlichkeitsbildender Bedeutung sind so genannte existentiellen Fragen, hierzu zählen Fragen nach Glück und Sinn ebenso, wie nach Gerechtigkeit und dem Leid auf der Welt.
Von existentieller Bedeutung ist für Johannes den Täufer im heutigen Matthäus- evangelium die Frage, die er Jesus über einen seiner Jünger stellen lässt: „Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Direkt kann er sie ihm nämlich nicht stellen, da er sich im Gefängnis befindet. Interessant ist Jesu Antwort: „Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet“. Was soll das denn für eine Antwort sein, könnte man sich fragen?
Bei diesen Worten handelt es sich jedoch um eine verschlüsselte Antwort, die sich auf das 35. Kapitel des Buches Jesaja bezieht. Dort verheißt der Prophet Jesaja für die messianische Zeit die Heilung aller Krankheiten und Gebrechen. Wenn nun Jesus diese Zeilen Johannes ausrichten lässt, dann um ihm zu klar zu machen, dass er der Messias ist, der die Erfüllung dieser alten Sehnsüchte bewirken wird. Er wird das wahr machen, was vor langer Zeit prophezeit wurde.
„Wer lebt ohne zu fragen, lebt nicht wirklich“, schrieb einst der griechische Philosoph Platon. Es kommt im Leben nämlich darauf an, sich auch die existentiellen – lebensfördernden Fragen zu stellen. Wenn Johannes der Täufer nicht gefragt hätte, ob Jesus der ist, der verheißen wurde, hätte er Entscheidendes in seinem Leben verpasst. Ohne diese Frage wäre ihm im Gefängnis Hoffnung und Trost entgangen.
Das Fragen gehört zum Menschsein dazu. „Der, die, das, wer, wie, was. Wieso, weshalb, warum? – Wer nicht fragt, bleibt dumm“, ist mehr als ein witziger Klamauk, sondern eine berechtigte Feststellung. Das Fragen, Hinterfragen und Infragestellen kann zu einem lebensnotwendigen Klärungsprozess führen, den es immer wieder zu durchlaufen gilt. Wenn Sie auf Ihr Leben schauen, welche große Fragen beschäftigen Sie? Was fordert Sie heraus, an welcher leidvollen Fragestellung arbeiten Sie sich ab?
Auch wenn wir in manchen Bereichen als Fragezeichen durchs Leben gehen müssen, auch wenn es Fragestellungen gibt, an denen wir uns ein Leben lang leidvoll abarbeiten, können die Worte Jesu aus dem heutigen Evangelium vielleicht auch für uns zu einer tröstlichen und hoffnungsvollen Antwort werden: „Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündet“. (Thomas Stephan)