Mittwoch, 16. Juni 2021
Kommen stärkere Stürme?
Ruhe wird es allein in Jesus Christus geben
Unsicherheit und Ängste bedrohen seit vielen Monaten weltweit die Menschen. Nicht wenige fühlen sich wie ausgebrannt. Immer wieder neue Unruhen greifen um sich und wirken belastend.
Auch die Kirche bleibt nicht von einer bedrohlichen Unruhe verschont. Meinungen driften unversöhnt auseinander. Vielfach fehlt ein fairer und offener Dialog im Ringen um die Frage nach dem Willen Gottes in unserer Zeit. Reformbestrebungen werden oft ausgebremst. Die Freude über die eucharistische Gastfreundschaft der Konfessionen auf dem ökumenischen Kirchentag weicht dem Ärger über ausschließende katholische Standpunkte von manchen Verantwortlichen in Rom. Ähnliches gilt für weitere Bestimmungen, die mehr von der Tradition als von der Bibel her begründet sind. Unverständnis darüber und Empörung machen sich breit. Viele vermissen bei manchen Kirchenleitungen ein Gespür für das, was die Menschen wirklich bewegt. Stattdessen werden uns nicht selten starre Antworten auf unsere Probleme gegeben, vorbei an bibeltheologischen Forschungen und Erkenntnissen der Humanwissenschaft und an der Menschlichkeit.
Im Evangelium gibt es auch Unruhen. Der See ist aufgewühlt. Sturm bringt das Boot ins Wanken und die Jünger in äußerste Gefahr. Sie kämpfen ums Überleben. Jesus allerdings ruht und schläft. Er scheint davon unberührt zu sein. Von der tödlichen Bedrohung, so sieht es aus, bekommt Jesus nichts mit. Sie wecken ihn. „Herr, tu doch was!“ haben die Jünger indirekt gleichsam geschrien.
Er redet ihnen ihre Angst nicht aus. Er nimmt sie ernst in ihrer Not. In der allgemeinen Unsicherheit und Hektik bewahrt er die Ruhe. Aus seinem Verhalten spricht die Gelassenheit dessen, der sich völlig in der Macht Gottes und in seiner Liebe gegründet und geborgen weiß. – Er handelt und erweist sich als Gebieter über „Wind und Wellen“. Er ist stärker als die tödliche Bedrohung. Es tritt völlige Stille ein. Die Gefahr ist vorüber.
Die innere Ruhe Jesu und die eingetretene äußere Ruhe von Wasser und Wind übertragen sich auf die Jünger. Seine Frage nach ihrem Glauben und sein Handeln bringen sie wohl zum Nachdenken.
Der Glaube fordert auch uns heraus, unsere Ängste auszuhalten. Ein Schön-Wetter-Glaube allein, der nur trägt, wenn das Leben problemlos zu verlaufen scheint, taugt nicht. Unser Glaube hat sich zu bewähren, wenn es in unserem Leben drunter und drüber geht und wir mit unseren eigenen Anstrengungen am Ende sind. Wir dürfen uns an Jesus Christus wenden, der in seiner Verbundenheit mit Gott vertrauensvoll ruht. Von seinem Vertrauen dürfen wir uns anstecken lassen.
Manchmal müssen wir, um dahin zu finden, uns heraus nehmen aus einer Überflutung von Informationen und dem Übermaß an Anforderungen, und uns Ruhezeiten der Muße, der Meditation oder wohltuender Beschäftigungen gönnen.
Das heutige Evangelium schließt mit der Frage der Jünger nach dem Geheimnis dieses Jesus, das sie erschrecken und zugleich staunen lässt. Doch das Boot ist noch nicht am Ziel. Die Jünger müssen weiter rudern, sich weiter anstrengen. Aber sie sind gewiss anders geworden, sie sind verändert. Nun haben sie es selbst erlebt, wenn er bei ihnen ist, dürfen sie sich sicher fühlen. Wenn sie in der Gemeinschaft mit ihm im Boot bleiben, können sie es wagen ihren Weg fortzusetzen, ohne Angst. Die Erfahrung mit ihm, in einer lebensbedrohlichen Situation nicht untergegangen zu sein, gibt ihnen die Kraft und den Mut dazu.
Darf das Evangelium nicht wie eine Zusage der Nähe Jesu gelten in der existentiellen Not des Einzelnen, unserer Kirche und Gesellschaft? Auf unseren Schrei „Herr, tu doch was.“ könnte die ermutigende Botschaft lauten: „Rudert weiter und lasst nicht nach. Lebt eure Visionen für euer Leben, für die Kirche und die Gesellschaft. Traut dem tiefen Wissen, dass in euch ist. Traut Eurer Erfahrung. Setzt eure Zuversicht auf Christus. Seid gegründet im Geheimnis Gottes. Beruhigt eure äußeren und inneren Stürme. Sucht die Stille, in der ihr euren Weg zu euch selbst und zu Gott finden könnt und handelt aus ihr. Habt keine Angst. Ich bin bei euch.“ (Theo Wingerter)