Redaktion der pilger

Donnerstag, 27. Juni 2013

Radikale Distanz, totaler Einsatz

Sind wir nicht überfordert mit dem Anspruch Jesu? – Gedanken zum Lukas-Evangelium 9, 51–62 von Diakon Helmut Husenbeth

Jesus ist unterwegs, nicht irgendwohin, sondern nach Jerusalem. Lukas hebt heraus, dass Jesus seiner messianischen Aufgabe folgt, seiner „Aufnahme in den Himmel“ entgegengeht, vorher aber auch seiner „Auslieferung“, dem Leiden und dem Tod (Lukas-Evangelium 24,7). In Jerusalem wird die Entscheidung fallen, aber auch die Scheidung derer, die ihm folgen werden oder nicht folgen können oder wollen.
Vor diesem Hintergrund erhalten die Aussagen, das Verhalten und die Fragen Jesu ihre Schärfe und ihre unerbittliche Konsequenz. Knapp und klar weist Jesus den Gerichtseifer der „Donnersöhne“ Jakobus und Johannes  zurecht, als sie ein himmlisches Strafgericht über das abweisende samaritanische Dorf herabrufen wollen. Hier darf nicht das Gesetz der Strafe, hier muss das Gesetz der Nächstenliebe, ja der Feindesliebe gelten (Lukas-Evangelium 6, 27). Jesus geht nicht als Strafender und Richtender nach Jerusalem, sondern als Retter für alle. So öffnet er auch den Raum für die Mission über die Juden hinaus. Lukas sagt es so: „Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist“ (Lukas-Evangelium 19,10). Dies ist ein Wort der liebenden Zuwendung zu uns allen bis heute – ein Wort des Trostes und der göttlichen Barmherzigkeit.
Auf seinem Weg freilich erfährt Jesus Ablehnung. Er wehrt sich nicht dagegen. Auch alle diejenigen, die ihm nachfolgen, werden von der Ablehnung bedroht sein. Der „Reisebericht“ wird hart. Jesus hat keinen Wohnsitz, keine Bleibe. In einem radikalen Bild heißt es, er habe „keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen“ könne – er, der auf Erden heimatlose „Menschensohn“. Wer kann sein hausloses, heimatloses Leben teilen? Wer kann ihm da nachfolgen? Die Antwort kann nicht leichthin gegeben werden – sie ist grundsätzlicher Natur. Geradezu radikal wird das dem Menschen gesagt, der Jesus von sich aus folgen will, „wohin er auch gehe“. An einen anderen ergeht Jesu Aufforderung ganz direkt: „Folge mir!“ Für uns im bürgerlichen Umfeld kaum nachvollziehbar die Unerbittlichkeit Jesu bei diesem Ruf in seine Nachfolge. Heilige Pflichten, die Toten zu begraben, werden hinter die Pflicht  zur Verkündigung der Botschaft Jesu zurückgestellt. Dieser Auftrag gilt grundsätzlich – ebenso wie das Wort über den, der „die Hand an den Pflug gelegt hat“ und nun nicht mehr zurückschauen darf.
Jesus fordert den uneingeschränkten Einsatz für die Verwirklichung des Reiches Gottes. War das alles für die jungen Christengemeinden zu leisten, für die Lukas die Heilsgeschichte niederschreibt? Ist es für uns heutige Christen auch nur annähernd zu leisten? Eher erschrecken wir über solch radikale Forderungen. Die allermeisten von uns sind durchaus nicht haus- und wohnungslos, wir kommen den familiären und bürgerlichen Pflichten nach und können und wollen unseren Aufgabenbereich nicht einfach verlassen. Und für viele Christen der Urgemeinden war das genauso.
Was bleibt für uns zu tun angesichts solch geradezu erschreckender Forderungen zur Nachfolge? Was bleibt für uns zu tun nach diesen „verrückten“ Abweichungen von der Norm? Wenigstens dies, dass der Blick auf die Radikalität des Ursprungs der Jesusbewegung zum Korrektiv unseres oft doch sehr satten und vielseitig abgesicherten Lebens wird – und dass wir offen werden für die Bedürfnisse der Armen, der Kranken, der Außenseiter, der Behinderten, der Kriegs- und Elendsflüchtlinge, der Obdachlosen – all derer, die Hilfe brauchen. Dies gilt für jeden von uns, es gilt für die Kirche als Institution und für die politischen Strukturen. Papst Franziskus hat es uns mit eindrucksvoller Liebenswürdigkeit gesagt, dass Christen ein „gesundes Maß an Verrücktheit“ brauchen. Die Kirche brauche keine „Salonchristen“, sondern Menschen, die auch unbequeme Dinge sagten und sich nicht scheuten, die wohlsituierten Verhältnisse zu stören – so bei einer Predigt am 16. Mai in Rom. Er verwies auf den Apostel Paulus, der kein Mann der Kompromisse gewesen sei.
Da hilft uns die Lesung aus dem Galaterbrief weiter, uns von Zwängen, Ängsten und Engherzigkeiten zu befreien: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit.“ Das kann heute auch heißen, Distanz zu den Zwängen von Konsum und gnadenlosem Wettbewerb – Freiheit für die Moral der Achtung voreinander und für die des Teilens. Freiheit führt zur Liebe und zur Nächstenliebe, wie Paulus es auf den Punkt bringt: „Das Gesetz ist in dem einen Wort zusammengefast: Du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst“.
Wir sind zur Nachfolge aufgerufen, in Distanz zu einengenden Abhängigkeiten – aufgerufen zur Gottes- und Nächstenliebe.

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