Freitag, 15. März 2013
Vatikan: Kampagne gegen Papst
In ungewöhnlich scharfer Form hat der Vatikan Medienberichte zurückgewiesen, die den neuen Papst eines angeblich schuldhaften Verhaltens unter der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983) bezichtigen.
Vatikansprecher Federico Lombardi sprach am Freitag vor Journalisten im Vatikan von einer "Kampagne gegen Bergoglio". Dem betreffenden Presseorgan warf er vor, es sei "auf oft verleumderische und diffamierende Kampagnen spezialisiert". Den Namen der Publikation nannte er nicht, bezog sich aber offensichtlich auf die argentinische Zeitschrift "pagina 12". Sie hatte die Beschuldigungen gegen Jorge Mario Bergoglio erstmals 2005 verbreitet.
Papst Franziskus habe angesichts der Vorwürfe "ein reines Gewissen" und gehe "seinen Weg weiter", so Lombardi. Der Vatikan habe reichlich Erfahrungen mit Kampagnen gegen Päpste und die Kirche; sie sei daher nicht beunruhigt. Es sei offensichtlich, dass bestimmte Medien immer dann ihre Vorwürfe gegen die Kirche richteten, wenn die Aufmerksamkeit am größten sei. Lombardi dementierte in diesem Zusammenhang erneut die Behauptungen, der neue Papst habe in der Zeit der argentinischen Militärdiktatur nicht genug getan, um linke Geistliche gegen Übergriffe des Militärs zu schützen.
Zu den Behauptungen zählt, Bergoglio als damaliger Jesuitenoberer habe zwei Ordensbrüder nicht zureichend vor einer Entführung geschützt. Einer der beiden, Franz Jalics (85), erklärte dazu, er sei "mit den Geschehnissen versöhnt" und betrachte sie abgeschlossen. Er wünsche "Papst Franziskus Gottes reichen Segen für sein Amt", heißt es in einer am Freitag vom Provinzialat der deutschen Jesuiten verbreiteten persönlichen Stellungnahme. Jalics war während der Diktatur fünf Monate im Gefängnis.
Lombardi erklärte dazu, Bergoglio habe sich seinerzeit als Zeuge zu dem Fall geäußert und jegliche persönliche Beteiligung verneint. Die argentinische Justiz habe niemals Anklage gegen ihn erhoben. Der Vatikansprecher betonte, die Beschuldigungen in einigen Medien stammten aus einer historisch-soziologischen Analyse der Diktatur, die von "der antiklerikalen Linken" vorgetragen werde, um die Kirche anzugreifen.
Der deutsche Sozialethiker und Jesuit Friedhelm Hengsbach sieht die Rolle des neuen Papstes während der argentinischen Militärjunta kritisch: "Ich denke, das ist ein Schatten", sagte er im Deutschlandradio Kultur. Die argentinischen Jesuiten seien damals gespalten gewesen, ihre Mehrheit allerdings "sehr stark verfilzt" mit den konservativen und nationalistischen Kräften. Nach Einschätzung Hengsbachs hat der heutige Papst Jalics und dessen Mitbruder vor der Gefahr eines bevorstehenden Putsches gewarnt. Die Frage sei, so Hengsbach: Habe Bergoglio kooperiert, um Leben zu schützen - oder hätte er besser konfrontativ mit der Junta umgehen sollen?
Jalics ist gebürtiger Ungar und lebte seit 1957 in Buenos Aires. 1974 sei er mit erlaubnis der Vorgesetzten in ein Elendsviertel gezogen, heißt es in der Stellungnahme. In der bürgerkriegsähnlichen Lage habe die Junta damals rund 30.000 Menschen umgebracht, linksgerichtete Guerilleros wie unschuldige Zivilisten. "Wir zwei im Elendsviertel hatten weder mit der Junta noch mit den Guerillas Kontakt", so Jalics.
Durch den damaligen Informationsmangel und durch gezielte Fehlinformationen sei die Lage der beiden auch innerkirchlich missverständlich. Einer ihrer Laienmitarbeiter habe sich der Guerilla angeschlossen; dadurch hätten sie den Kontakt zu ihm verloren. Nach dessen Verhaftung neun Monate später hätten die Soldaten durch ihn von der Verbindung zu den beiden Jesuiten erfahren.
"In der Annahme, dass auch wir mit der Guerilla zu tun haben, wurden wir verhaftet", so Jalics. Nach fünftägigem Verhör habe sie der Offizier für unschuldig erklärt und angekündigt, sie könnten gehen. Dieser Zusage zum Trotz seien sie fünf Monate lang mit verbundenen Augen und gefesselt in Haft gehalten worden.
Zur Rolle seines damaligen Vorgesetzten Pater Bergoglio "in diesen Vorgängen" könne er keine Stellung nehmen. Erst Jahre später hätten die beiden mit Bergoglio, der inzwischen Erzbischof von Buenos Aires war, die Geschehnisse besprechen können: "Danach haben wir gemeinsam öffentlich Messe gefeiert und uns feierlich umarmt."
Die deutsche Jesuitenprovinz dementierte auf Anfrage, dass Jalics auf Bergoglios Betreiben damals aus dem Orden ausgeschlossen worden sei. Diese Behauptung findet sich im Buch eines argentinischen Journalisten und in Internetquellen, etwa in der Enzyklopädie "Wikipedia". Jalics lebt seit 1978 in Deutschland und arbeitet als Exerzitienbegleiter sowie als geistlicher Schriftsteller. Er wohnt im von ihm gegründeten Exerzitienhaus Gries bei Kronach in Oberfranken. Derzeit hält er sich bis Mitte Mai in Ungarn auf. (kna)