Redaktion der pilger

Donnerstag, 24. Juli 2014

Stunde Null im irakischen Mossul

Hunderttausende flüchten im Irak vor der Terrorgruppe „Islamischer Staat“. Die Christen befinden sich in einer besonders schwierigen Lage. In weiten Teilen des Landes könnten die christlichen Gemeinden untergehen. Bild: actionpress

Flucht der letzten Christen: Endet die christliche Ära im „Rom des Orients“?

Die Flucht der letzten Christen aus Mossul markiert eine neue Eskalationsstufe im Kampf des radikalen Islam gegen die uralten Kirchen im Irak. Bis zum Wochenende hatten noch einige hundert Christen unter dem brutalen Regime der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) ausgehalten. Die meisten waren bereits vor Wochen nach der Eroberung Mossuls durch die Islamisten geflohen. Am Samstag dann ließ ein Ultimatum der Dschihadisten den „Ungläubigen“ keine echte Wahl mehr: Wer nicht binnen Stunden zum Islam übertritt oder künftig Sonderabgaben zahlt, dem bleibt nur die Flucht oder der „Tod durch das Schwert“, schallte es aus den Lautsprechern der Moscheen. Zum ersten Mal seit 1600 Jahren leben damit in Mossul keine Christen mehr.
Als „Rom des Orients“ galt die Metropole im Nordirak einst. Wie im ganzen Nahen Osten blühten hier christliche Gemeinden lange vor der islamischen Expansion. Vor allem die Chaldäer – die später wieder mit Rom unierten assyrischen Christen – sowie Syrisch-Orthodoxe und syrische Katholiken prägten mit ihrer Kultur und ihrem Glaubensleben die Handelsmetropole an den Karawanenrouten zwischen Indien und Europa, Anatolien und Persien. Erst im 20. Jahrhundert verlegten die Chaldäer den Sitz ihres Patriarchats nach Bagdad.
Am Vorabend der US-Invasion 2003 lebten noch rund 50000 Christen in der zweitgrößten Stadt des Irak. Dann begann der Terror von Islamisten und gewöhnlichen Kriminellen gegen die vermeintlichen Verbündeten des Wes-tens. Inzwischen haben zwei Drittel der 1,2 Millionen irakischen Christen das Land verlassen. Kirchenführer wie der chaldäische Patriarch Louis Rafael I. Sako werden nicht müde, den USA die Hauptschuld an dem Drama zu geben: „Unter Saddam Hussein gab es wenigstens Sicherheit und Arbeit statt Anarchie und Chaos“, sagte er Anfang Juli.
Schon bevor sich der IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi vor drei Wochen zum Kalifen, also Nachfolger des Propheten Mohammed, ausrufen ließ, haben seine Anhänger die Scharia in ihrem syrisch-irakischen Machtbereich drakonisch angewandt. Sie sieht auch die „Dschiziya“ vor, eine Kopfsteuer für Christen, Juden und andere Nichtmuslime, die einen Übertritt zum Islam verweigern. So heißt es in der neunten Sure des Koran: „Kämpft gegen jene, die nicht an Gott und den Jüngsten Tag glauben und nicht verbieten, was Gott und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören – von denen, die die Schrift erhalten haben –, bis sie kleinlaut aus der Hand Tribut entrichten!“ Die Plünderung der flüchtenden Christen, denen IS-Kämpfer am Wochenende Autos und Wertsachen abnahmen, ist indes selbst bei rigidester Auslegung nicht aus dem islamischen Gesetz abzuleiten.
Dass der „Islamische Staat“ den Christen altertümelnd den „Tod durch das Schwert“ androht, verweist letztlich auf al-Baghdadis mangelnde Anerkennung als „Kalif“ und „Schwert des Propheten“. Zwar kontrollieren seine Truppen, deren genaue Stärke schwer einzuschätzen ist, offenbar große Gebiete rund um Mossul. Doch der IS ist nur eine sunnitische Terrorgruppe – neben der konkurrierenden El Kaida, deren Führung al-Baghdadi als „Twitter-Kalifen“ verhöhnte, und den wiedererstarkten Anhängern des Saddam-Regimes. Außer dem Hass auf die sunnitenfeindliche Regierung des schiitischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki haben sie jedoch nichts gemeinsam.
Die Christen dürften von der innersunnitischen Feindschaft allerdings kaum profitieren. Einzige Hoffnung wäre ein durchschlagender Erfolg der irakischen Armee und eine Zentralregierung, die Ordnung und Sicherheit herstellen kann. Danach sieht es derzeit am allerwenigsten aus. So bleibt den Christen jetzt nur die Massenflucht ins kurdische Autonomiegebiet, das großzügige Aufnahme gewährt – noch.
Denn dort ist man nicht auf eine erneute Flüchtlingswelle vorbereitet. Lösen kann dieses Versorgungsproblem nach Ansicht vieler Christen nur der Westen, solange sie nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich Entwurzelte bleiben. Dem Westen werfen sie seit langem Gleichgültigkeit vor. Das „Rom des Orients“ droht für sie zur vergessenen Stadt des Christentums zu werden.

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