Donnerstag, 05. Januar 2012
Messehallen in Orange und Kerzenschein
Rund 30000 junge Christen machen Berlin zum Taizé an der Spree
Vor allem die Stille hat Julia „bezaubert“. Als sie mit Tausenden Jugendlichen bei den Abendgebeten in den Berliner Messehallen ganz ruhig geworden ist. „Das ist das Besondere an Taizé“, strahlt die Ukrainerin. Vor allem deshalb ist sie zum 34. Europäischen Jugendtreffen der ökumenischen Bruderschaft um den Jahreswechsel an die Spree gekommen. Und mit ihr an die 30000 junge Christen aus 70 Ländern.
Fünf Tage Gebete, Lieder, Diskussionen. Ein Thema hat sie stets begleitet: „Wege des Vertrauens“, das Motto des Treffens. Sie zu wagen, kann eine knifflige Sache sein, wie der Leiter der im französischen Taizé ansässigen Gemeinschaft, Frère Alois Löser, einräumt. „Vertrauen ist ein Risiko“, sagt er in einer seiner abendlichen Ansprachen. Dennoch könne keine Gesellschaft ohne Vertrauen leben, wie der Nachfolger von Taizé-Gründer Roger Schutz (1915-2005) betont. Dabei spielt er auf die Finanzkrise und andere Herausforderungen an.
Wer kein Englisch oder Deutsch versteht, der kann die Ansprachen von Frère Alois mit Hilfe eines kleinen Radios mitverfolgen. Auf unterschiedlichen Frequenzen gibt es auf dem Messegelände Übersetzungen in über ein Dutzend Sprachen. Viele brauchen es nicht. Die 10000 Jugendlichen aus Deutschland bilden die größte Gruppe unter den Teilnehmern, gefolgt von 6000 Jugendlichen aus Polen und je 2000 aus Frankreich, Italien, Kroatien und der Ukraine.
Übernachtet haben die meisten in Gastfamilien. Nach mehreren Appellen auch von Politikern haben viele Berliner doch noch ihre Wohnungen für Gäste mit Isomatte und Schlafsack geöffnet und ihnen Vertrauen entgegengebracht. „Ganz wichtig“ findet das der Taizé-Helfer Johannes: „Unser Treffen lebt von der persönlichen Begegnung.“
Die Vormittage verbringen die Teilnehmer in ihren über 160 Gastgemeinden, doch auch Abstecher zu wichtigen Stätten der Metropole gehören zum Programm. So empfängt unter anderen Spitzenpolitikern die Vizepräsidentin des Bundestags, Katrin Göring-Eckardt (Grüne), gleich mehrere hundert Taizé-Pilger. „Ich erhoffe mir von Eurem Treffen einen Energieschub für die Demokratie“, gibt sie ihnen mit auf den Weg.
Andere haben sich für eine Begegnung mit Muslimen entschieden. Dicht an dicht sitzen sie in Berlins bekanntestem islamischen Gotteshaus, der Sehitlik-Moschee beim früheren Flughafen Tempelhof. Als Chalid Durmosch vom Moscheeverein im Schnelldurchgang Architektur und Glaubensregeln des Islam erklärt, ist auf dem Teppichboden kaum noch Platz frei. Auch die evangelische Pfarrerin Elisabeth Kruse aus der Nachbarschaft der Moschee wirkt an diesem Treffen mit. Der interreligiöse Dialog kann sich „mindestens drei Scheiben von Taizé“ abschneiden, lobt sie das Engagement der ökumenischen Gemeinschaft.
„Jubilate Deo omnis terra“ klingt es auf Lateinisch auch beim letzten Abendgebet wenige Stunden vor dem Jahreswechsel aus den Messehallen – „Jauchzt vor Gott alle Länder der Erde“. Orangefarbene Tücher verhüllen die sonst kahlen Wände, Kerzen flackern. Noch einmal kehrt Stille ein, bevor sich die Jugendlichen in ihre Gastgemeinden begeben und nach einem „Gebet um Frieden“ das neue Jahr beginnen. Mit einem „Fest der Völker“, ohne Alkohol, doch mit viel Tanz und Musik. „Bis nächstes Jahr in Rom“, ist nach den Neujahrsgottesdiensten am Sonntag zu hören. Zum nächsten Europatreffen hat Papst Benedikt XVI. nach Rom eingeladen (Redaktion)