Donnerstag, 29. März 2012
Nicht um ihn geht es, sondern um uns
Jesus stirbt am Kreuz, damit wir das Leben in Fülle haben – Gedanken zum Markus-Evangelium 15, 1–39 von Dipl. Theologe Klaus Haarlammert
Nichts hatten sie begriffen. als sie ihn am Kreuz hängen sahen. Weder „die Leute, die vorbeikamen“ noch „die Hohenpriester und die Schriftgelehrten“, die es hätten wissen können, weil sie kundig waren. „Hilf dir doch selbst, und steig herab vom Kreuz“ höhnen die einen, „anderen hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen“ spotten die anderen.
Hätte Jesus das denn gekonnt: sich selbst helfen und vom Kreuz herabsteigen? Müßig ist diese Frage, Jesus wollte es überhaupt nicht: Ihm lag ja himmelweit fern, hier eine sensationelle Schau abzuziehen, wie etwa ein Entfesselungskünstler. Es war ihm ja nicht darum zu tun, sich zu retten, sondern uns zu retten; nicht darum, sich vom Kreuz zu lösen, sondern uns am Kreuz zu erlösen. Unzählige Male hat er das gesagt und gezeigt, Worte und Zeichen waren jetzt genug. Alle hatten hören und sehen, begreifen und glauben können: die einfachen Leute und erst recht ihre Führer, die gescheiten Hohenpriester und Schriftgelehrten. Gerade denen hatte Jesus doch auf der Basis ihres Wissens, der Schrift, alles hergeleitet und begründet. Was für eine verlogene Heuchelei ist das doch, wenn die jetzt sagen, er solle doch „vom Kreuz herabsteigen, damit wir sehen und glauben“. Sie sahen, dass er Kranke, Aussätzige heilte, Blinde zum Sehen brachte, Stumme zum Reden, Taube zum Hören, Lahme zum Gehen, Tote zum Leben ... Wenn sie bei so starken Zeichen nicht glaubten, warum, wenn er vom Kreuz herabstiege!
Nur ein einziger begreift und bekennt: der Hauptmann, einer von den verhassten Besatzern, ein Römer, ein Heide gar. „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn!“ Ein Glaubensbekenntnis, das sonst allenfalls von Petrus zu hören war, der in der Leidensgeschichte seines Herrn und Meisters allerdings auch eine höchst unrühmliche Rolle spielt. Mit diesem Bekenntnis endet das Evangelium vom Leiden und Sterben Jesu, das immer wieder zu Herzen geht, aber auch Fragen stellt. Nicht nach dem banalen Unverständnis der Leute, nach der sturen Verstocktheit der Hohenpriester und Schriftgelehrten, nach dem kläglichen Versagen des Petrus und der Jünger. Auch nicht, wie wir uns damals verhalten hätten. Diese Fragen sind rein akademisch. Nur eine Frage drängt wirklich: Was ist mit unserem Glauben und Bekenntnis heute? Gewiss, wir lesen und hören die Leidensgeschichte Jesu aus der weiten Distanz von zweitausend Jahren. Kreuzigung war damals. Aber wofür Jesus starb, ist immer Gegenwart, geht uns an. Was er sagte und zeigte, was er schenkte und was er forderte, ist für heute, für hier und jetzt. Wie halten wir es damit?
Sind nicht auch heute jene spöttischen Worte derer, die Jesus am Kreuz sehen, allenthalben zu hören? Wird Jesus nicht auch heute nicht ernst genommen, gar verleugnet? Wird nicht auch heute Jesu Botschaft – ihre Verheißung und Forderung, ihre Dringlichkeit – relativiert? Da ist von uns das klare Bekenntnis gefordert: Wahrhaft, er ist Gottes Sohn – mit allen Konsequenzen, ohne Furcht, belächelt, nicht ernst genommen zu werden, ohne Wenn und Aber.