Donnerstag, 09. August 2012
Diskussion über Sterbehilfe-Gesetz

Eine Pflegerin hält in einem Hospiz in Thüringen die Hand einer Patientin. Die Diskussionen um den Gesetzentwurf zur Sterbehilfe reißen nicht ab. Foto: Jens-Ulrich Koch/dapd
Verbot von kommerziellen Angeboten – Straffreiheit für Angehörige und Ärzte?
Kommerziell betriebene Sterbehilfe soll künftig in Deutschland verboten bleiben. Straffrei sollen aber Angehörige, Freunde, sowie „nahe stehende“ Ärzte oder Pflegekräfte bleiben, wenn sie Sterbehilfe leisten. Das berichtete die „Neue Osnabrücker Zeitung“ in der vergangenen Woche unter Berufung auf einen noch unveröffentlichten Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums. Der Zeitungsbericht hat eine neue Debatte über Sterbehilfe ausgelöst.
Unionspolitiker, Ärzte, die Hospiz- Stiftung und die Bischofskonferenz wiesen die Pläne des Ministeriums nachdrücklich zurück. Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, warnte davor, dass der Gesetzentwurf zu einer „Normalisierung der Suizidhilfe“ führe. „Die grundlegende Problematik“ bleibe bestehen, „dass bei weitem nicht alle Formen organisierter Sterbehilfe unter Strafe gestellt werden“.
Als „halbherzig“ bezeichnete der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Prälat Karl Jüsten, den Gesetzentwurf. „Die Unterscheidung in kommerzielle und nicht kommerzielle Suizidhilfe im Gesetzesentwurf ist irreführend. Sie wird den in Deutschland existierenden Sterbehilfeorganisationen Aufwind geben und einen neuen Markt für die Dienstleistung Tod befördern.“
Der Vorsitzende der Hospiz-Stiftung, Eugen Brysch, fand, es gehe Bundesjustiziministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) „nicht darum, Suizidhandlungen möglichst zu verhindern, sondern Freiräume zu schaffen und die gesellschaftliche Akzeptanz des assistierten Suizids zu fördern“.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sprach von einem „Stück aus dem Tollhaus“: „Erst soll die gewerbsmäßige Sterbehilfe verboten werden und dann will das Justizministerium die gesetzlichen Grundlagen für Ärzte als Sterbehelfer schaffen.“ Es sei Medizinern „verboten, Patienten auf deren Verlangen zu töten und sie dürfen auch keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“, stellte der Arzt klar und zeigte sich in diesem Zusammenhang überrascht, dass „das Justizministerium grundlegende medizin-ethische Werte in Frage stellt“.
Bundespolitiker der FDP und der SPD forderten Nachbesserungen im Gesetzentwurf. So müsse insbesondere geklärt werden, wer eine dem Suizidwilligen „nahe stehende Person“ ist. Die Grünen forderten eine breite Diskussion im Bundestag.
Scharfe Kritik an dem Entwurf kam aus der CSU. „Es darf keine Straffreiheit für Beihilfe zur Tötung geben“, hieß es dort – und weiter: „Dieses Gesetz bringt unser gesamtes Rechtsgefüge durcheinander, in dem das Recht auf Leben zu den höchsten Gütern gehört und für niemanden verfügbar sein darf.“
Bei der CDU hält man ein Verbot der gewerblichen Sterbehilfe für „dringend notwendig“. Ärzte oder Pflegepersonal dürften sich aber nicht am Geschäft mit dem Tod beteiligen. Es sei vielmehr eine „ganz wichtige Aufgabe der Ärzte“, Menschen beim Sterben zu begleiten und ihnen die Schmerzen zu nehmen.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat die laufende Debatte über die Sterbehilfe nachdrücklich kritisiert. Statt über gesetzliche Ausweitungen der Sterbehilfe nachzudenken, müsse die Gesellschaft Alternativen dazu anbieten, forderte ZdK-Präsident Alois Glück in der „Passauer Neuen Presse“. Er sprach sich für einen massiven Ausbau der Palliativ- und Schmerzmedizin aus. Die Möglichkeiten des medizinisch-technologischen Fortschritts würden bislang bei weitem nicht ausgenutzt.
Glück rief die Politik auf, verbindende Angebote von Palliativmedizin und Hospizbegleitung voranzubringen. Dies müsse nicht nur in den Krankenhäusern, sondern vor allem im häuslichen Bereich und Heimen erfolgen. Viele Menschen wollten im vertrauten sozialen Umfeld ihre letzte Lebensphase verbringen. „Hier haben wir enorme Defizite“, unterstrich er.
Unterdessen hat die „Bild am Sonntag“ eine Umfrage veröffentlicht, wonach sich fast die Hälfe der Deutschen (49 Prozent) dafür ausspricht, kommerzielle Sterbehilfe zu erlauben. 41 Prozent lehnen sie ab. Damit würde eine Mehrheit der Befragten über das Ziel des Gesetzentwurfs des Bundesjustizministeriums hinausgehen. Dieser sieht vor, dass gewerbsmäßige Unterstützung beim Suizid künftig mit bis zu drei Jahren Haft bestraft wird. Eine straffreie Hilfestellung durch Ärzte oder Pfleger, wie sie der Entwurf vorsieht, wollen der Umfrage zufolge 47 Prozent der Deutschen; 45 Prozent wollen dies nicht.
Nach Ansicht der Deutschen Hospiz Stiftung spiegelt die Umfrage vor allem die Angst der Bundesbürger vor Krankheit und Tod wider. „Die Ergebnisse zeigen, dass viele Menschen lieber Suizid begehen würden, als abhängig von Pflege zu sein", so deren Vorsitzender Eugen Brysch. Neben einem Verbot der „Sterbehilfe aus den Gelben Seiten“ sei daher eine grundlegende Pflegereform unerlässlich. (Redaktion)