Redaktion der pilger

Donnerstag, 26. Juli 2012

Der Ritter mit der eisernen Hand

Festes Domizil über dem Neckartal: Von der Burg Hornberg aus prozessierte Götz von Berlichingen in den letzten 30 Jahren seines Lebens. Heute ist diese zum Hotel umgebaut. Foto: www.pixelio.de/Kühnle

Vor 450 Jahren starb Götz von Berlichingen – Streitbare Persönlichkeit des deutschen Adels

Potztausend! Vor rund 500 Jahren war es um Teile des deutschen Adels nicht zum Besten bestellt. Für manchen jungen Standesgenossen, klagte Graf Reinhard zu Solms, gebe es nichts anderes, „denn bis in den hohen mittag schlafen, die andere hälfte des tages müßig schlink-schlanken und mit dem frauenzimmer alfanzen oder mit den hunden spielen und die halbe nacht darauf saufen“. Garstige Vorwürfe – hinter denen sich ein tiefgreifender gesellschaftlicher Wandel versteckte.
Götz von Berlichingen ist eine der Gestalten, in denen der Wandel fassbar wird. Vor 450 Jahren, am 23. Juli 1562 „um 6 uhr abends“, verstarb der Ritter „mit der Eisern Hand“ auf seiner Burg Hornberg – im gesegneten Alter von 82 Lenzen. Zu seinen Lebzeiten landete Kolumbus in Amerika, feierte das Universalgenie Leonardo da Vinci Triumphe in Italien, formulierte der Reformator Martin Luther seine 95 Thesen. Was konnte da noch übrigbleiben für die einst so stolzen Ritter, jene panzerbewehrten Überbleibsel aus dem Mittelalter?
Ihre Stelle als Krieger übernahmen anspruchslosere Söldner, ihre Posten als fürstliche Ratgeber die gelehrteren „Doctores“ aus den Universitäten, ihre Unabhängigkeit vor Ort untergruben Hochadel und aufstrebende Städte. Wer konnte, wartete auf bessere Zeiten und gab sich dem Müßiggang hin. Wer kalkulierte, stellte sich unter die Herrschaft eines Mächtigeren. Und wer pokerte, kämpfte mit Klauen und Zähnen um seine althergebrachten Freiheiten. So wie Götz, der allerdings bei vielen seiner Aktionen mit durchaus kühlem Kopf zuwege ging.
In seiner „Lebens-Beschreibung“ liest sich das freilich nicht immer so. Da inszeniert sich der ehrenfeste „Reichs-Cavalier“ als Heißsporn, der weder Tod noch Teufel fürchtete. Mit Mitte 20 hatte er seinen Ruf als verwegener „Heckenreiter“ weg – mit der eisernen Hand als unverwechselbarem Markenzeichen. Bei der Belagerung der Stadt Landshut hatte ihm 1504 ein Kanonenschuss die rechte Hand zertrümmert. Seither behalf er sich mit der wohl berühmtesten Prothese der Orthopädie-Geschichte.
Bei Lichte besehen führte von Berlichingen nichts anderes als ein höchst einträgliches räuberisches Inkasso-Kommando, dessen Einflussbereich sich weit über Schwaben und Franken hinaus erstreckte. Peinlich genau achtete Götz allerdings darauf, diese „That-Handlungen“ als ritterliche Fehden im Auftrag Dritter zu deklarieren. So oder so: Mit seinen Überfällen auf Dörfer, Burgen und vor allem reiche Kaufleute säten er und seine bis zu 200 Begleiter Angst und Schrecken und scheffelten jede Menge Geld.
Immer wieder waren adelige Standesgenossen mit von der Partie. Als sich die durch ständige Attacken von Götz und einem seiner Mitstreiter, dem einbeinigen Hans von Selbitz, entnervten Nürnberger hilfesuchend an Kaiser Maximilian I. wandten, soll dieser ausgerufen haben: „Heiliger Gott, heiliger Gott! was ist das? der ein hat ein Hand, so hat der ander ein Bein, wann sie dann erst zwo Händ hätten und zwei Bein, wie wolt ihr dann thun?“
Des Ritters Stern begann ausgerechnet zu jener Zeit zu sinken, als er sich 1517 mit dem Kauf von Burg Hornberg, etwa 45 Kilometer östlich von Heidelberg, ein festes Domizil erwarb. Im Krieg zwischen dem Schwäbischen Bund und Ulrich von Württemberg stand er aufseiten des Herzogs und kassierte 1519 eine empfindliche Niederlage. Noch einmal trat er 1525 als Hauptmann im Bauernkrieg in Erscheinung. Ob aus Zwang, machttaktischen Erwägungen oder ehrlichem Interesse an einem Ausgleich, ist umstritten.
Seine letzten 30 Jahre verbrachte der streitbare von Berlichingen prozessierend und seine Memoiren diktierend auf Burg Hornberg. Sein berühmtes Zitat „Er kann mich am Arsche lecken!“ verewigte Johann Wolfgang von Goethe 1773 im Drama „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“. Das Zitat liest sich in den an deftigen Details reichen Erinnerungen der „alten Eisenhose“ übrigens erstaunlich zahm: „Er solte mich hinden lecken!“, lautete dort die gleichwohl eindeutige Ansage.
Götz von Berlichingen (1480 bis 1562) ist der berühmteste Spross eines alten fränkischen Rittergeschlechts. Die Familie stammt ursprünglich wohl aus dem Jagsttal im Norden Baden-Württembergs. Einzelne Zweige existieren bis heute; die Linie der direkten Nachfahren des Ritters erlosch 1924. Im Jahr 2001 heiratete Alexandra Freifrau von Berlichingen den früheren Bundespräsidenten Roman Herzog.
Populär wurde Götz von Berlichingen durch ein 1773 erschienenes Drama Johann Wolfgang von Goethes. Der Dichter griff dafür auf die Memoiren des Ritters zurück, die dieser wenige Jahre vor seinem Tod einem Pfarrer namens Georg Gottfried diktiert haben soll. In einer Zeit großer Umbrüche setzte Götz von Berlichingen auf die mittelalterliche Praxis der Fehde, um mit Überfällen und Entführungen die Rechte Dritter durchzusetzen und seinen eigenen Lebensunterhalt zu verdienen.
In der ersten Lebenshälfte war von Berlichingen einer der am meisten gefürchteten Raubritter, die insbesondere in Schwaben, Franken und am Rhein ihr Unwesen trieben. Anders als sein Standesgenosse Franz von Sickingen (1481 bis 1523) trat er weniger als Heerführer in Erscheinung. Auch war er kein Humanist wie Ulrich von Hutten (1488 bis 1523). Der Reformation stand Götz offenbar aufgeschlossen gegenüber. Bereits 1522 schlug er sich auf die Seite Martin Luthers und installierte in Neckarzimmern, unterhalb seiner Burg Hornberg, einen entsprechend gesinnten Geistlichen. Allerdings scherte er sich wenig um theologische Dispute, wie Biografin Helgard Ulmschneider schreibt. „Sein Verständnis der Bibel blieb auf einfache, klare Linien, holzschnittartige Bilder und Auslegungen beschränkt.“ (Redaktion)

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