Mittwoch, 23. Oktober 2013
Verschobene Kirchenlandschaft
So viel Transparenz war nie: Der Fall Tebartz-van Elst verändert die Kirche
Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst hat die kirchliche Landschaft in Deutschland verändert. Wie nach einem Erdbeben sind Schäden und Risse zu besichtigen, verschobene tektonische Platten und neue Konstellationen zu analysieren.
So viel Transparenz war nie. Hatte Papst Franziskus mit seinen Maßnahmen zu mehr Glasnost bei Vatikanbank und vatikanischer Güterverwaltung lange Zeit keine Nachahmer in den Gefilden der reichen Kirche in Deutschland gefunden, hagelt es nun Offenbarungen. Ein Bischof nach dem anderen legt die Vermögensbilanz seines „Bischöflichen Stuhls“ offen – Zahlen, die bislang zu den am besten gehüteten Geheimnissen der kirchlichen Finanzverwaltung gehörten.
Vor und nach Limburg
Die ersten Veröffentlichungen bestätigen, was Insider schon immer ahnten: Bei den im internen Jargon „Jumbo-Bistümer“ genannten Diözesen (darunter Köln und München) haben die Oberhirten mit dreistelligen Millionenbeträgen an Sach-und Vermögenswerten ordentlich etwas auf der hohen Kante. Die „ärmeren“ Bischöfe in Essen oder Aachen können nur über einen Bruchteil dieser Summen verfügen. Doch was „vor Limburg“ bei den ärmeren Mitbrüdern ein Anlass zum stillen Neid gewesen sein mag, verkehrt sich nun in einen Grund zu stolzem, aufrechtem Gang nach dem Motto: Seht her, ich habe nur das, was ein Bischof wirklich zur Erfüllung seiner Aufgaben braucht!
Veränderte Kraftpole
Verschoben haben sich auch die „kirchenpolitischen“ Koordinaten jenseits der Stuhl-Bilanzen. Vor dem „Fall Tebartz“ schien der Kölner Kardinal Joachim Meisner noch einer der einflussreichsten Köpfe in der Deutschen Bischofskonferenz zu sein. Über Jahre war die „Achse der vier Ms“ (bestehend aus Meisner und den mehr oder weniger streng konservativen Bischöfen Reinhard Marx (Trier, dann München), Walther Mixa (Eichstätt, dann Augsburg) und Gerhard Ludwig Müller (Regensburg) ein echter Kraftpol im deutschen Episkopat. Ihre Stärke ist Schritt für Schritt erodiert.
Erst jetzt wird auch dem Letzten klar: Nach Mixas Rücktritt und Müllers Beförderung nach Rom ist von den alten konservativen Haudegen nur noch Meisner geblieben – zumal der nunmehrige Kardinal Marx jetzt immer öfter zum Lager der „Gemäßigten“ gezählt wird. Einige neue Konservative sind, zumal in Bayern, unter Papst Benedikt XVI. auch wieder hinzugekommen. Aber ein Bischof Gregor Maria Hanke (Eichstätt) oder ein Bischof Rudolf Voderholzer (Regensburg) wirken weniger lautstark und polarisierend als ihre Vorgänger.
Dass die „liberalen“ Gegenspieler in einer solchen Konstellation Morgenluft wittern, liegt auf der Hand. Meisners Mainzer Mitbruder, Kardinal Karl Lehmann, hat seit der Wahl des von ihm unterstützten Argentiniers Jorge Mario Bergoglio zum Papst wieder an Einfluss gewonnen – auch wenn er selbst seine öffentliche Präsenz krankheitsbedingt stark zurückfahren musste. Hinter den Kulissen ist er aber wieder ganz im Spiel.
Und in der „Affäre Limburg“ gehörte Kardinal Lehmann zu den ersten, die öffentlich auf den möglichen Schaden hinwiesen, den die katholische Kirche über das Bistum Limburg hinaus nehmen könnte. Auch sein Nachfolger im Vorsitzenden-Amt, der nun seinerseits an der Altersgrenze stehende Erzbischof Robert Zollitsch (Freiburg) tritt in den letzten Monaten seiner Amtszeit kirchenpolitisch entscheidungsfreudiger und kraftvoller auf.
Vor spannender Wahl
Die Wahl des neuen Konferenz-Vorsitzenden im März 2014 wird nun noch spannender als sie es ohnehin schon war: Sie fällt nicht nur ans Ende des ersten Jahres des Franziskus-Pontifikats mit seinen zahlreichen Überraschungen, sie findet auch und vor allem unter dem Eindruck der Limburger Ereignisse statt.
Gesellschaftliche Auswirkungen
Die Limburger Vorgänge haben zudem eine neue Diskussion um das Staat-Kirche-Verhältnis ausgelöst – die Zahlung von Staatsleistungen eingeschlossen. Ob damit ein heilsamer Prozess für die Kirche verbunden ist, wird sich noch zeigen müssen. Auf jeden Fall ist es ein schmerzlicher Weg, der sich abzeichnet. Da in Folge ebenfalls die evangelische Kirche von der „Causa van Elst“ betroffen ist – auch durch Kirchenaustritte – sind ökumenische Reibungen programmiert. id/kna