Mittwoch, 13. Oktober 2021
Starker Auftritt mit Nachhall

In einer inszenierten Show begegnet Judas (Ben Hergl) nun leibhaftig dem Publikum und kann für sich selbst sprechen. (Foto: Schmalenberg)
In einer neuen Inszenierung erteilt das Chawwerusch-Theater „Judas“ nach 2 000 Jahren das Wort
Jeder kennt Judas, niemand will in seiner Haut stecken; sein Name ist Sinnbild für Verrat gegen Geld und für den Tod Jesu am Kreuz. Aber wer war Judas eigentlich? Wie wurde er ein Jünger Jesu? Was hat ihn zu seinem Judaskuss veranlasst, und welche Gedanken trieben ihn in den Selbstmord?
Die holländische Dramatikerin Lot Vekemans hat Judas einen 70minütigen Monolog auf den Leib geschrieben, in dem er sich und sein Tun 2 000 Jahre nach seinem Erdenleben erklären und als Mensch in ein neues Licht stellen kann. Das Chawwerusch-Theater in Herxheim bringt das brisante Stück anlässlich des Gedenkens an 1 700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland nicht nur auf die eigene Bühne, sondern auch in Kirchenräume, Gemeindesäle und Schulen. Hier nämlich, mitten in unser aller Leben, gehört er hin, dieser Judas, der mit seinem Namen, seiner Tat und seinem Platz in der Geschichte ringt.
In der Regie von Ro Trischtler kommt dieser Judas als moderner, salopp gekleideter Mann mit dezent jüdischen Attributen daher. Er wird gespielt von Ben Hergl, der dieser zwiespältigen Rolle nicht als wutentbrannter Ankläger oder dröhnender Selbstverteidiger, sondern eher als in sich gekehrter, manchmal aufbegehrender Grübler gerecht wird. Seinen Auftritt, mit dem er in der katholischen Kirche in Herxheim Premiere hatte, inszeniert er bewusst als Ansprache an die Besucher. In Absprache mit dem Techniker ist er um maximale Wirkung der Selbstdarstellung bemüht. Er weiß um „Spannungsbogen, Höhepunkt, Botschaft“.
Als Kulisse dienen ihm eine Art Altar, auf dem er sich anstelle von Jesus gerne selbst geopfert sähe, und eine Art Kanzel, die aus vier Leiterstücken zusammengebaut ist. Sie zitiert Jakobs Traum von der Himmelsleiter und verdeutlicht die Herkunft des Judas vom Stamme Jakobs, einem biblischen Stammvater der Israeliten. Manchmal hilft ihm dieses Leiterkonstrukt zu geistigen Höhenflügen, manchmal aber wird es ihm zum Joch der eigenen und der ganzen jüdischen Geschichte. Denn auch sie wurde – wie der Vorname Judas – durch die Tat des einen Judas für immer gebrandmarkt.
Aber war diese Tat wirklich ein billiger Verrat? War sie nicht eher der Versuch, diesen „duldsamen, unverstandenen“ Messias vor seiner eigenen „Mythologie“ zu retten? „Jemand musste ihm klarmachen, dass seine Idee von der Prophezeiung eine Wahnidee war! „Woher sollte ich denn wissen, dass es so viel Hass gab, soviel, so viel Enttäuschung?“, hämmert sich Judas seine Gedanken wie Kreuzesnägel ein und hinterfragt sich und die Umstände im Spannungsfeld zwischen „Dunkelheit und Licht“.
Seine kontrastreiche Analyse wird von einer starken Lichtregie befördert, die lange, harte Schatten wirft oder den Blick auf eine zentrale Stelle fokussiert. Am Ende positioniert sich Judas auf dem Altar, bekennt sich zu den Konsequenzen seiner Tat und ruft seinen Namen mit errungenem Stolz in die Gegenwart. (bschm)
„Judas“ vom Chawwerusch- Theater in Herxheim. Weitere Vorstellungen: 31. Oktober, 17 Uhr, Kirche Kirrweiler; 1. November, 19 Uhr, Lincoln Theater, Worms; 4. und 5. November, 20 Uhr, Dreifaltigkeitskirche Speyer; 7. November, 18 Uhr, Kirche St. Medardus, Mutterstadt; 10. November, 19.30 Uhr, Alfred-Grosser-Schulzentrum, Bad Bergzabern; 27. November, 20 Uhr, und 28. November, 17 Uhr, Chawwerusch-Theater Herx- heim. Karten und Infos unter www.chawwerusch.de