Freitag, 07. Februar 2014
Ärgernis und Herausforderung
Jesus Christus verkünden, und zwar als den Gekreuzigten – Gedanken zum Matthäus-Evangelium 5, 13–16 von Pastoralreferentin Regina Mettlach
In der Antike gab es bei den Griechen einen Wettstreit, wer der beste, überlegenste Redner sei. Dabei galt die Überredungskunst als eine göttliche Gabe. Man hatte sogar eine eigene Göttergestalt dafür: Peito, die Göttin der Überredung.
Als Paulus zum ersten Mal als Verkünder des Evangeliums nach Korinth gekommen war und dort eine christliche Gemeinde gründete, erwarteten die Korinther von ihm in der Auseinandersetzung mit der griechischen Weisheitslehre die Vorführung brillanter Gedankengänge, rhetorische Könnerschaft und die Überzeugungskraft der besseren Argumente. Aber Paulus enttäuschte die Erwartung seiner Gemeinde. Sein Auftreten widersprach dem, was man in der Antike von einem Redner forderte, deshalb nannten ihn einige einen Stümper (zweiter Korintherbrief 11,6). Vermutlich war Paulus ins Hintertreffen geraten beim Vergleich mit Apollos, der ebenfalls das Evangelium verkündete. Nachdem Paulus Korinth wieder verlassen hatte, blieb man aber weiterhin in Kontakt miteinander.
Nun, einige Jahre später, in seinem Brief an die Gemeinde, bezieht Paulus sich auf diesen ersten Aufenthalt in Korinth. Er bringt sich als einer in Erinnerung, der bei seinen Auftritten weder auf menschliche Weisheit noch auf Redekunst setzt: „Ich kam ja nicht, um glänzende Reden zu halten oder gelehrte Weisheiten vorzutragen“, schreibt er. „Vielmehr sah ich mich dem Inhalt der Verkündigung verpflichtet, die im Kern lautet: bei euch nichts zu wissen außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten.“ Der Apostel verkündigt den Gott, der in Jesus Christus am Kreuz gestorben ist, er verkündigt das Leiden Gottes, das „Wort vom Kreuz“. Darüber kann man nicht geistvoll disputieren, meint Paulus. Man wird darüber spotten oder bekennen wie der Hauptmann unter dem Kreuz: „Wahrlich, dieser Mensch war Gottes Sohn.“
Wenn Paulus also sagt, dass er beschlossen habe, bei den Korinthern nichts anderes zu wissen als Jesus Christus, den Gekreuzigten, dann bringt er damit zum Ausdruck, dass er sich bei seiner ersten Verkündigung in Korinth auf die Mitte des Evangeliums konzentriert hat. Und er weiß, wer einen gekreuzigten Heilbringer verkündet, der muss damit rechnen, für einen Narren gehalten zu werden. Eine solche anstößige Botschaft, so meint Paulus weiter, kann auch nicht durch Überredung nahegebracht werden. Das wäre ein aussichtsloses Unterfangen. Wenn seine Hörer diese Botschaft trotzdem im Glauben angenommen haben, so war das nur dem Wirken Gottes zu verdanken, der, nur scheinbar schwach, doch alles vermag.
Nicht das Wort, sondern die Kraft ist das entscheidende Kriterium, mit dem Paulus die göttliche Qualität der Verkündigung bemisst. Der Erweis von Geist und Kraft besteht in diesem Fall darin, dass gerade die törichte Kreuzespredigt die Korinther zu Glaubenden gemacht hat. Gerade weil die Form und der Inhalt der Worte des Apostels für griechische Ohren so töricht, so wenig beeindruckend und mitreißend waren, zeigte sich an ihrer Wirkung die Kraft Gottes. Der Apostel weiß, dass er in seinem Dienst nur Werkzeug Gottes sein kann. Wenn Menschen die Nähe Gottes suchen, dann wirkt Gott selbst, nicht die Kunstfertigkeit des Vermittlers.
Der Schwerpunkt der paulinischen Verkündigung ist nicht der auferstandene und verherrlichte Herr, sondern der so unrühmlich am Kreuz gestorbene. Und dieser kann – nach den Worten Jesu selbst – auch im anderen Menschen gefunden werden: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan.“
In unserer Zeit hat sich Julius Kardinal Döpfner diese Zentralaussage des christlichen Glaubens öffentlich zu eigen gemacht. Als er 1948 Bischof von Würzburg wurde, machte er seinen Primizspruch zum Wappenspruch, nämlich die Worte des Paulus: „praedicamus crucifixum“ – wir verkünden (Christus) den Gekreuzigten. Er erklärte dazu in seinem ersten Hirtenbrief: „Ich will der erste Kreuzträger unseres Bistums sein, indem ich die schmerzende Last frohgemut trage, die sich unter den Ehrungen des Bischofsamtes verbirgt.“ Und Papst Franziskus überraschte im September 2013, als er von einem Journalisten zu seiner Person befragt wurde, mit den Worten: „Ich bin ein Sünder, den der Herr angeschaut hat.“ Er wollte das ausdrücklich nicht als rhetorische Bemerkung verstanden wissen.
Für alle Christen gelten die Worte des Paulus: Gott wirkt in den Schwachen. Ihr müsst nicht toll sein, mutig und gebildet, redegewandt und cool in jeder Lebenslage. Gott will euer Zeugnis, so dünn und zittrig es auch wirken mag. Wir dürfen also sagen, was wir wissen, bekennen, was wir glauben, bezeugen, was wir erfahren haben. Das ist vielleicht nicht viel. Aber selbst dieses Wenige kann denen Orientierung geben, die noch suchen. Wenn wir unseren Kindern Rede und Antwort stehen, für den Kollegen ein gutes Wort haben und für die trauernde Nachbarin einen Händedruck, dann kann darin die Kraft Gottes wirksam werden.
Überhaupt – wenn durch mein Tun für einen anderen Menschen die Nähe Gottes erfahrbar wird, dann hat Gott Großes durch mich getan. Paulus hat sich darauf verlassen. Seine Bilanz konnte sich am Ende sehen lassen.