Donnerstag, 06. Juli 2017
Verfassungsklage wahrscheinlich

Am Morgen des 30. Juni hat der Bundestag die „Ehe für alle“ in namentlicher Abstimmung beschlossen. Foto: actionpress
Katholische Bischöfe kritisieren Bundestagsbeschluss zur Ehe für alle
Die katholischen Bischöfe haben die Entscheidung des Bundestags für eine „Ehe für alle“ kritisiert. Die evangelische Kirche warb für einen Blick nach vorn. „Ich wünsche mir, dass jetzt weder Triumphgefühle auf der einen Seite noch Bitterkeit auf der anderen Seite den Ton angeben“, erklärte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm am 30. Juni auf Facebook. Es müsse ein „neues Bewusstsein für das wunderbare Angebot der Ehe, in lebenslanger Treue und Verbindlichkeit miteinander leben zu dürfen“ geschaffen werden.
Der Familienbischof der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Heiner Koch, bedauerte, dass „der Gesetzgeber wesentliche Inhalte des Ehebegriffs aufgegeben hat, um ihn für gleichgeschlechtliche Partnerschaften passend zu machen“. Es sei traurig, dass das Rechtsinstitut Ehe ins Räderwerk politischen Taktierens geraten sei. Die Kirche werde nun verstärkt mit ihren Möglichkeiten für ihr Verständnis der Ehe als Sakrament werben.
Mit dem Gesetz werde „eine differenzierte Wahrnehmung unterschiedlicher Partnerschaftsformen aufgegeben“, sagte der Erzbischof. Differenzierung sei keine Diskriminierung. Koch betonte, die Väter des Grundgesetzes hätten der Ehe einen so herausragenden Platz gegeben, weil sie „diejenigen schützen und stärken wollten, die als Mutter und Vater ihren Kindern das Leben schenken wollen“.
Wenn jetzt vor allem der Schutz von Beziehungen und die Übernahme gemeinsamer Verantwortung als Begründung vorgebracht würden, so „bedeutet dies eine wesentliche inhaltliche Umgewichtung und eine Verwässerung des klassischen Ehebegriffs“, sagte Koch. Er fügte hinzu, dass ihn das Abstimmungsergebnis nicht enttäuscht habe. Das Resultat sei erwartbar gewesen.
Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße kritisierte das „überhohe Tempo“, mit dem der Bundestag das Gesetz beschlossen habe. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick erklärte, nun müsse das Bundesverfassungsgericht das Gesetz überprüfen.
Auch der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst hält ein Scheitern des Gesetzes vor dem Verfassungsgericht für möglich. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, rechnet ebenfalls mit einer Verfassungsklage. Das Gesetz sei von einer „erschre-ckenden Schlichtheit“, sagte er in Münster.
Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, erklärte unterdessen, das Gesetz sei verfassungswidrig. „Wenn man die Ehe öffnen will, muss man das Grundgesetz ändern“, sagte er dem „Spiegel“ (1. Juli). Das Bundesverfassungsgericht habe bis zuletzt betont, dass eine Ehe im Sinne des Grundgesetzes nur die „Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist“.
Verschiedene Staatsrechtler dagegen halten die Öffnung der Ehe für verfassungsgemäß. Christoph Degenhart, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Leipzig, sagte der „Rheinischen Post“ (1. Juli): „Ich könnte mir vorstellen, dass das Bundesverfassungsgericht pragmatische Lösungen sucht, um das Gesetz zu halten.“
Frauke Brosius-Gersdorf, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Hannover, erklärte, die Ehe zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Partnern habe 1949 nicht zur Debatte gestanden, sei aber im Grundgesetz auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden.
Die Christdemokraten für das Leben (CDL) hoffen auf ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Einen entsprechenden Antrag könne auch das Bundesland Bayern stellen. Das konservative Forum Deutscher Katholiken sieht in der „Ehe für alle“ einen „Dammbruch, der alle Schleusen öffnet für weitere Formen des Zusammenlebens“.
Der Familienbund der Katholiken erhofft sich jetzt eine bessere Förderung von Ehen und Familien. Entscheidend sei, dass Kinder in guten Verhältnissen aufwüchsen. Die rechtliche Form des Zusammenlebens der Eltern sei für Kinder weniger entscheidend, erklärte Präsident Stefan Be-cker. Zugleich betonte er, die Kirche müsse bei homosexuellen Partnerschaften über neue liturgische Formen nachdenken. (kna)