Redaktion der pilger

Donnerstag, 25. Juni 2015

Geraubt, vergewaltigt, verstoßen

Therese Mema kümmert sich in den Dörfern am Kivu-See um die vergewaltigten und gequälten Frauen. Der Kampf um Rohstoffe – zum Beispiel Seltene Erden – sei eine der Ursachen für die unvorstellbare Gewalt, sagt Therese Mema. Foto: KNA

Shalompreisträgerin Mema hilft Frauen im Kongo aus der Hölle

Die Traumatherapeutin Therese Mema ist am 20. Juni mit dem Eichstätter Shalompreis ausgezeichnet worden. Sie hilft Opfern sexueller Gewalt im Osten des Kongo – wo der Kampf um begehrte Rohstoffe für Handys tobt.

Der junge Chor singt aus vollem Hals – und die Gemeinde von Mwanda klatscht begeistert mit. Auch beim dritten Gottesdienst an diesem Sonntag ist die Kirche rappelvoll. Nebenan liegt der Kivu-See ruhig zwischen den saftig grünen Hügeln im Osten des Kongo. Besucher wähnen sich im Paradies – für die Bewohner ist es oft die Hölle. Viele Gottesdienstbesucher haben unvorstellbares Leid erlebt.
Zum Beispiel Ma File, die in der ersten Reihe mitsingt. Ihre Kindheit war vor vier Jahren abrupt zu Ende, als sie vergewaltigt wurde. Da war sie elf. Zwei Stunden braucht sie zu Fuß bis zur Kirche; den Weg geht die schüchterne 15-Jährige jeden Sonntag gemeinsam mit ihrer Mutter. Das Singen tut gut, im Chor wird sie akzeptiert. Die meisten hier haben keine Ahnung, was sie durchgemacht hat. Und sie hat das Gefühl, Gott nahe zu sein. Ordensfrau will sie einmal werden; „Die machen viele gute Sachen“, sagt sie etwas verlegen.     Und es gibt da keine Männer.“


Dank der Hilfe im Traumazentrum der Gemeinde kann sie heute Männern zumindest wieder in die Augen schauen. Therese Mema koordiniert 16 solcher Zentren im Bistum Bukavu, die sie mit Unterstützung des katholischen Hilfswerks missio Aachen aufgebaut hat. Jetzt wurde sie in Eichstätt mit dem Shalompreis ausgezeichnet, einem der höchstdotierten Menschenrechtspreise in Deutschland.
Die Region um Bukavu – sie liegt in Nachbarschaft zum Speyerer Partnerbistum Cyangugu auf ruandischer Seite – ist ein Krisenherd. Rebellen überfallen hier nachts kleine Ortschaften. Sie rauben und töten, sie fallen über Frauen und Kinder her. Die Regierung scheint machtlos. Auch die UN-Blauhelme schauen oft nur zu. Allein die katholische Kirche kümmert sich um die leidenden Menschen.


Ma File bringt uns zu einem kleinen dunklen Raum. Hier bieten Therese und ihre Mitarbeiterinnen regelmäßig Sprechstunden an. Die Geschichten der Opfer sind erschütternd: Ausgeraubt, Mann erschossen, Kind entführt, vor den Augen des Mannes vergewaltigt, Messer in den Bauch gerammt. „Sie haben mir nach der Vergewaltigung in mein Auge geschossen. Ich überlebte, aber ich hatte nichts mehr, habe mich in den blutigen Kleidern hierher geschleppt“, erzählt eine Frau. „Therese und die Mitarbeiter gaben mir neue Kleidung, brachten mich nach Bukavu in die Klinik.“ Heute kann sie wieder normal sprechen, doch noch immer hat sie Schmerzen in der linken Kopfhälfte.


Im Garten hinter der Kirche von Chiumbo wartet eine zierliche junge Frau. Auf dem Rücken von Solange schläft ihre vier Monate alte Tochter Joyceline in einem Tuch. Nach einer Vergewaltigung war sie schwanger geworden: „Bomben werden solche Kinder in den Dörfern genannt“, erklärt Therese – „denn viele glauben, die Kinder werden wie ihre Väter, die Vergewaltiger“. Solange erzählt: „Gegen acht am Abend kamen mehrere Männer in unser Haus. Sie fesselten meinen Mann ans Bett und sagten, sie würden ihn sofort erschießen, wenn er nur einen Ton sagt.“ Einer der Rebellen wollte sie sofort vergewaltigen, „doch die anderen sagten: Sie ist so hübsch, wir müssen sie unserem Kommandanten bringen.“


Einen Monat lang wurden die Frauen dort geschlagen und zum Sex gezwungen, dann gelang Solange mit vier weiteren die Flucht: „Wir konnten entkommen, als eines Tages ein Hubschrauber mit der Aufschrift ,UN‘ über dem Lager kreiste und die Männer abgelenkt waren.“ Die Frauen trennten sich, und Solange kämpfte sich allein zwei Wochen durch den Dschungel – immer in Angst, wieder eingefangen zu werden.


Endlich zu Hause, wollte ihr Mann nichts mehr von ihr wissen. Das Kind der Rebellen brachte sie allein zur Welt. „So werden die Frauen zweimal bestraft“, erklärt Therese Mema. Nach langen Gesprächen mit ihr versucht das Paar, seinen Weg wieder gemeinsam zu gehen. Inzwischen spielt Solanges Mann mit dem Baby. Doch wenn es krank ist oder weint, sagt er noch heute: „Das Baby ist vom Teufel!“ So hat Solange an manchen Tagen das Gefühl, sie bekommt eine zweite Chance im Leben – „aber an manchen Tagen wünschte ich mir, die Rebellen hätten mich getötet“. (Harad Oppitz)

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