Donnerstag, 14. Oktober 2010
Die Wiege der Könige
Ausstellung zeigt 400 Jahre Herzogtum Pfalz-Zweibrücken: Wenn das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken 1791 nicht in den Wirren der französischen Revolution untergegangen wäre, hätten die Herzöge am 3. Oktober 2010 auf 600 Jahre Herrschaft zurückblicken können.
So aber bleibt der Rückblick auf 400 Jahre Herrschaftsgeschichte, auf wechselvolle Zeiten von Krieg und Frieden, auf 16 Herzöge und auf viele beeindruckende Kunstobjekte.
„In der Landesausstellung ‚Die Wiege der Könige‘ wird erstmals ein umfassender Überblick über die Geschichte des Herzogtums geboten“, sagt Charlotte Glück-Christmann, die Leiterin des Zweibrücker Stadtmuseums und „Macherin“ der Ausstellung. Am Beginn der Ausstellung wie zu Beginn des Herzogtums steht die Erbteilung der kurpfälzischen Territorien am 3. Oktober 1410. Stephan, der fünfte Sohn des Kurfürsten Ruprecht III., erbte die ehemalige Grafschaft Zweibrücken. Das selbstständige Herzogtum Pfalz-Zweibrücken entsteht, bis zu seinem Ende ein „Flickenteppich“ aus Streubesitz. Neben Zweibrücken, Homburg und Kusel zählten Gebiete um Meisenheim, Trabach an der Mosel, Tholey und Nohfelden im Saarland, Annweiler, Bergzabern und Hagenbach sowie Rappoltsweiler, Seltz und Lützelstein im Elsass hinzu.
Selbstverständlich spielte die Religion eine wichtige Rolle im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken. Wie andernorts galt auch hier die Regel: Wechselte der Herrscher den Glauben, hatten automatisch auch die Untertanen zu konvertieren. „Von der Reformation bis zur Union hat das Herzogtum eine besondere Bedeutung“, sagt der evangelische Oberkirchenrat a. D. Klaus Bümlein, Vorsitzender des Vereins für Pfälzische Kirchengeschichte. Schon sehr früh ging das Herzogtum zum protestantischen Glauben über. Bereits 1523 predigte Reformator Johann Schwebel 1523 in der Alexanderkirche zu Zweibrücken. Zehn Jahre später wurde im Herzogtum ein erster lutherischer Katechismus eingeführt.
Herzog Wolfgang (1532 bis 1569), ein überzeugter Lutheraner, versuchte per Testament, seine Nachkommen ebenfalls an dieses Bekenntnis zu binden. Gelingen sollte ihm dies nicht, denn schon 1588 führte sein Sohn Johann I. (1569 bis 1604) aus Gewissensgründen den reformierten Glauben ein. Seine Landeskirche änderte er von lutherisch auf calvinistisch. Ein Großteil der Pfarrerschaft musste das Land verlassen: alle Pfarrer, die beim lutherischen Glauben bleiben wollten.
Von Untertanen wenig überliefert
Schon nach den ersten Ausstellungssälen des Zweibrücker Stadtmuseums wird klar: Die Ausstellung zeichnet im Wesentlichen die Geschichte der Herrschenden nach. Die Alltagsgeschichte, die Schicksale der Untertanen der Herzöge, fehlen vollkommen. Charlotte Glück-Christmann hat eine einfache Erklärung: „Es fehlen die Ausstellungsstücke. Die Menschen im 16., 17. Jahrhundert haben nichts hinterlassen, keine Einrichtungsgegenstände, keine Schriftstücke, keine Bilder“.
Die Zahl der Bewohner des Herzogtums wurde im 17. Jahrhundert durch Kriege, Zerstörung, Hunger und Seuchen deutlich dezimiert. Erst mit dem Frieden von Rijswijk 1697 wandelte sich das Blatt wieder: Es sollte eine fast 100-jährige Friedensperiode in Pfalz-Zweibrücken folgen. Damit begann die eigentliche Blütezeit des Herzogtums. So finden sich viele Kunstgegenstände aus dem 18. Jahrhundert in der Schau. Für Besucher sind Gemälde oder Kunstobjekte „Hingucker“, dem Fachmann bietet die Ausstellung eine unglaubliche Dichte an Quellen über die Geschichte des Herzogtums. „Wir haben hier erstmals eine umfassende Münzschau“, sagt Glück-Christmann. „Es gibt wohl keine jemals im Herzogtum geprägte Münze, die hier fehlt.“
Auf die Frage nach ihrem persönlichen Lieblingsexponat weiß die Museumsleiterin keine Antwort. Dafür sind zu viele hochwertige Exponate in der Ausstellung vertreten. „Es sind zum Beispiel viele bibliophile Schätze wie die Lutherbibel in der Ausstellung“, sagt sie. Es sei schon überraschend, was in Pfalz-Zweibrücken alles an kulturellen Glanzstücken produziert worden sei. „Und das alles mit einem unheimlich hohen qualitativen Standard“, erläutert die Ausstellungsmacherin. Ein Beispiel ist hier die Porzellanmanufaktur, 1767 von Christian IV. (1735 bis 1775) gegründet. Der weltoffene, kulturbegeisterte Herzog war meistens in Paris und brachte Versailler Flair und Pariser Chic in sein Herzogtum. Das Zweibrücker Porzellan ist heute sehr wertvoll, da die Manufaktur nur acht Jahre bestand.
Wiege von Sissi und Märchenkönig
Christians Nachfolger Karl II. August (1775 bis 1795) schloss sie aus wirtschaftlichen Gründen. Er hatte ein anderes Hobby: Er baute den Karlsberg. Sagenhaft, prunkvoll, prächtig – die Beschreibungen des Schlosses Karlsberg bei Homburg, einst eine der größten Landresidenzen Europas, sparen nicht an Superlativen. Bauherr Herzog Karl August II. wollte mit dem Bau seinen Anspruch auf den bayerischen Königsthron manifestieren. Ironie der Geschichte – sein Bruder Maximilian Joseph, der letzte Herzog erbte das Kurfürstentum Pfalz-Bayern und stieg 1806 zum ersten König von Bayern auf. Den Karlsberg hatten französische Revolutionstruppen 1793 geschleift.
Ein Ausstellungstück im Stadtmuseum zieht alle Blicke auf sich: Es ist die „Wiege der Könige“, Namensgeber für die Schau. In ihr lag einst Karl August Friedrich, der jedoch 1784 mit nur acht Jahren starb. Die Wiege steht symbolisch für die Beziehungen zwischen der Pfalz und Bayern. Aus dem Herzogtum Pfalz-Zweibrücken ist das bayerische Königshaus hervorgegangen, und damit so bekannte Persönlichkeiten wie Sissi oder „Märchenkönig“ Ludwig II.
Ausstellungsinfos: Das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken
Die Ausstellung „Die Wiege der Könige“ ist im Stadtmuseum Zweibrücken (Herzogstraße 9) noch bis Sonntag, 14. November, zu sehen. Die Öffnungszeiten sind dienstags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis sonntags und an Feiertagen zwischen 14 und 18 Uhr. Führungen finden mittwochs und sonntags um 15 Uhr und nach Vereinbarung statt. Ein 432-seitiger Ausstellungskatalog informiert über die Exponate und die Inhalte der Ausstellung. Veranstalter ist die Stadt Zweibrücken in Kooperation mit dem Land Rheinland-Pfalz.
Weitere Infos unter www.600jahreherzogtum.zweibruecken.de oder telefonisch unter der Rufnummer 06332/ 871381.