Redaktion der pilger

Mittwoch, 29. Mai 2013

Warum katholische Herzoperationen?

Manfred Lütz: Kritik an Kirche. Foto: action press

Theologe Manfred Lütz fordert radikalen Kurswechsel der Kirche

Der Psychiater, Theologe und Bestsellerautor Manfred Lütz fordert in seinem neuen Buch von der katholischen Kirche einen radikalen Kurswechsel. Seiner Meinung nach gibt es zu viele katholische Krankenhäuser, eine falsch verstandene Caritasarbeit und einen unguten Klerikalismus. Im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur warnt Lütz vor einer „Atmosphäre produzierter Heuchelei“ in kirchlichen Einrichtungen.

Wer Ihr neues Buch liest, stellt fest, dass Sie zu einem engagierten Kirchenkritiker geworden sind. Wie kam es dazu?
Dann sind auch Benedikt XVI. und Papst Franziskus, auf die ich mich berufe, Kirchenkritiker. Dieses Buch versucht, Menschen den spirituellen Reichtum des Christentums zu vermitteln, aber es zieht auch die Konsequenzen aus Benedikts radikaler Entweltlichungsrede in Freiburg. Der Papst hat damals gesagt, die Kirche muss auf Macht verzichten, und dadurch wieder geistlich in die Welt ausstrahlen. Die deutsche Kirche hat diesen flammenden Appell überhört. Aber Papst Franziskus lässt da nicht locker. Auch er warnt vor Verweltlichung. Es gibt einfach viel zu viele kirchliche Institutionen, in denen die Kirche Arbeitgebermacht ausübt über Leute, die sich mit ihr gar nicht identifizieren wollen. Das schafft bei manchen Einrichtungen eine Atmosphäre produzierter Heuchelei.

Das Ansehen der Kirche in der Gesellschaft gründet doch gerade auch auf ihrem starken sozialen Engagement. Wenn Sie dort kürzen, verliert die Kirche dann nicht noch mehr an gesellschaftlicher Bedeutung?
Kirchen engagieren sich nicht, Menschen engagieren sich. Wenn es aber nicht mehr genügend Christen gibt, dann schadet es dem Ruf der Kirche, wenn sie nur noch als machtvolle leere Hülle wahrgenommen wird, hinter der geistlich nichts mehr los ist. Sie haben natürlich recht, die „Kunden“ wollen zum Beispiel kirchliche Krankenhäuser, auch wenn sie selber mit der Kirche nichts mehr zu tun haben, und das gilt auch für Mitarbeiter, die nicht bei einer profitgierigen Gesundheitsheuschrecke arbeiten wollen. Doch dass der Arbeitgeber in den Privatbereich so vieler Mitarbeiter hineinleuchtet, das ist in unserer Gesellschaft inzwischen ein absolutes „no go“. Das Arbeitsverhältnis von der „Katholizität“ abhängig zu machen, führt in eine Sackgasse. Auf diese Weise hätte der barmherzige Samariter keine Chance gehabt, denn er war nicht getauft und glaubte das Falsche.

Sie gehen soweit zu sagen, der Papst würde sich lieber von einem Atheisten operieren lassen, als von einem treuen Katholiken…
… der vor lauter Frömmigkeit seinen Rosenkranz in der Operationswunde vergisst und professionell eine Flasche ist. Man kann ja menschlich gut verstehen, dass es traurig ist, wenn ein unter Entbehrungen von einem Orden aufgebautes katholisches Krankenhaus nicht mehr von Katholiken geführt werden kann. Aber man muss sich den Realitäten stellen. Im 19. Jahrhundert hat man da aus christlichem Geist Notleidende begleitet. Heute sind dieselben Häuser eher Reparaturbetriebe, was gar nicht zu beklagen ist, da kommt es vor allem auf Professionalität an. Niemand braucht eine katholische Herzoperation.

Was schlagen Sie vor?
Bei den Krankenhäusern könnte man aus der Mehrzahl vielleicht „Krankenhäuser aus katholischer Tradition“ machen, bei denen die „Katholizität“ auch der leitenden Mitarbeiter keine Rolle mehr spielen würde. Man würde insofern freiwillig auf das Religionsprivileg verzichten, hätte einen ganz normalen Betriebsrat mit Gewerkschaften im Haus. Es würde in einem solchen Krankenhaus weiterhin nicht abgetrieben, weil das dieser Tradition eklatant widerspricht, es würde für gute spirituelle Angebote gesorgt, es würden aus dieser christlichen Tradition heraus auch mal Menschen aufgenommen, die nicht versichert wären. Aber das wäre kein katholisches Krankenhaus mehr. In einem Kernbereich der Kirche müsste man die bisherige Ordnung natürlich erhalten und vielleicht auch bei kleinen Einrichtungen oder einigen größeren Leuchtturmprojekten.

Sie sagen, man muss die Realität betrachten. Die Realität sind mehr und mehr Großpfarreien, in denen die Gemeinden vor Ort den Pfarrer nicht kennen, er aber darf alles entscheiden. Was tun, wenn der lieber neue Messgewänder kaufen will, anstatt eine Obdachlosenspeisung zu bezahlen?
Ein guter Pfarrer muss seiner Gemeinde dienen. Viele Klerikaldebatten, die wir führen, etwa um das Frauenpriestertum, werden entschärft, wenn Priester nicht als Machthaber agieren, sondern als Menschen, die den Gläubigen dienen. Das gilt übrigens für alle Hauptamtlichen.

Ein Ärgernis ist Ihnen auch die Theologensprache. Was stört Sie?
Als ich mein Buch „Gott – eine kleine Geschichte des Größten“ schrieb, sagten mir Buchhändler vorher: Theologensprache ist unverkäuflich. Daher habe ich mein Buch vorher von unserem Metzger lesen lassen, und das hat es zum Bestseller gemacht. Man sollte in normalem Deutsch predigen und dadurch normalen Menschen dienen. (Interview: Volker Resing)

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