Mittwoch, 26. November 2014
Liebe leitet unser Leben
Christen bringen Toleranz und Solidarität in die Welt – Gedanken zum Markus-Evangelium 1, 1–8 von Pfarrer i.R. Bernhard Linvers
Adventssonntag beginnt ein neues liturgisches „Lesejahr“ d.h. die Sonntagsevangelien werden meistens aus einem bestimmten Evangelium genommen; im „Lesejahr B“ ist es das Markusevangelium. Über den Verfasser Markus wissen wir sehr wenig; was wir von ihm wissen, müssen wir aus seinem Werk erschließen. Seine Leserschaft war nicht ausschließlich jüdischer Herkunft, sondern setzte sich auch aus Leuten anderer Religionsgemeinschaften zusammen. Die Endfassung ist um das Jahr 70 entstanden – also zwei Generationen nach Jesu Tod und Auferstehung.
Es ist das große Verdienst des Evangelisten, dass er verschiedene schriftliche und mündliche Traditionen, Gleichnisse, Jesusworte gesammelt hat. Er war aber nicht nur „Sammler“, er hatte immer seine konkreten Adressaten vor Augen, bestimmte christliche Gemeinden, die mit ihm auf dem Weg waren. Es war nicht nur die Absicht, das Vergangene zu erzählen, sondern den Glauben zu verkünden, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat. „Er ist auferstanden, er lebt“.
Der Tod, das ist die Grundbotschaft des Markus, hat nicht das letzte Wort, sondern Gott. Dieser Glaube gab den Menschen eine neue Zuversicht, er gab ihnen Hoffnung – auch und gerade – in aussichtslosen Situationen; er befähigte sie zu einem neuen Leben und einer neuen Sprache, durch die sie das Leben Jesu nicht mehr nur als „ein Leben zum Tode“ weitererzählten, sondern als ein Leben besangen, das immer schon von Gott umfangen war und weiterhin umfangen bleibt.
Unser Text beginnt mit dem Satz „Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes.“ Im Altertum hatte das Wort „Evangelium“ einen im weitesten Sinn politischen Klang. Wenn die kaiserlichen Heere einen Feind besiegten, war die Siegesbotschaft, die der Herold dem Kaiser überbrachte, ein „Evangelium“. Ebenso kündigte der römische Herold den Geburtstag des Kaisers oder seine Thronbesteigung als „Evangelium“ an.
Der Herold Markus spricht jedoch vom Leben, Lehren und Handeln Jesu. Er gibt Zeugnis vom Kommen Gottes in unsere Welt. Er greift das Wort des Propheten Jesaja auf, das in der ersten Lesung steht: Gott ist im Kommen. Und noch etwas ist auffallend: „Anfang“ des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes… Es erinnert an das erste Buch der Bibel, wo es heißt: „Im Anfang“ schuf Gott den Himmel und die Erde… Zwei spätere Autoren, Matthäus und Lukas haben diesen Markus-Auftakt nicht übernommen; der vierte Evangelist, Johannes, lässt seinen Text aber ebenfalls mit demselben grundlegenden Wort beginnen: „Im Anfang“ war das Wort, und das Wort war bei Gott… Und dieses Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns seine Wohnstatt genommen. In ihm sehen wir Gottes Herrlichkeit, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater (Johannes-Evangelium 1, 14).
Das heißt nichts anderes als: Jesus Christus ist der Urheber unseres Heiles, unserer Rettung. „Anfang der Heilsbotschaft“, dieser Anfang hat uns erreicht, er ist uns anvertraut. Der Gott, mit dem Jesus antritt, ist der Gott des grenzenlosen Erbarmens, der neue Leitlinien für unser Leben will. Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm (Erster Johannesbrief 4, 16). Das ist sie, die Leitlinie für unser Leben.
Ich weiß, wie viele Menschen leiden unter Naturkatastrophen, Epidemien – Ebola ist nur ein Name. Ist es nicht viel schlimmer, was wir Menschen uns untereinander antun? Die großen Weltkriege des letzten Jahrhunderts, die menschenverachtenden Grausamkeiten in den Kriegen unserer Tage, wo Menschen im Namen Gottes gemordet werden. Welch ein Missbrauch des Namens Gottes ist das doch! Was tun Menschen in ihrer Bosheit nicht alles einander an?
Deshalb diese neue Botschaft von Gott, gestützt auf den Gott des Erbarmens und den Gott allen Trostes. Er fordert von uns eines: dass wir die Härte des Herzens überwinden und dort, wo wir kalten Egoismus und rücksichtslose Berechnung erfahren, einen Geist der Toleranz und der Solidarität entwickeln.
Wenn wir das beherzigen, haben wir die Botschaft Jesu begriffen. Und wenn wir es nicht nur beim Begreifen belassen, sondern uns in unserem Herzen umstimmen lassen, dann wird es ein wenig (oder mehr) hell, wo wir leben und gerade dort, wo Menschen in Finsternis sind. Dies ist nicht immer leicht, aber diesen Weg zu gehen lohnt sich.