Redaktion der pilger

Donnerstag, 22. August 2013

Draußen oder drinnen?

Was nötig ist, um im Reich Gottes zu sein – Gedanken zum Lukas-Evangelium 13, 22–30 von Pastoralreferent Thomas Stephan

Die 205 Kilometer von Sizilien und  130 Kilometer von Tunesien entfernt liegende italienische Insel Lampedusa ist als Anlaufstätte für tausende afrikanische Flüchtlinge zu trauriger Berühmtheit gelangt. Das „Tor zu Europa“, wie die Insel auch heißt, haben zwischen 1999 und 2012 rund 200000 Migranten auf Booten unter zum Teil katastrophalen Umständen erreicht. Sie wurden angelockt vom Traum eines besseren Lebens in Europa oder getrieben von alptraumhaften Zuständen in ihren Heimatländern. Auf dem Weg dorthin ertranken oder verdursteten, und das ist die traurigste Bilanz, in den letzten 25 Jahren rund 19 000 Flüchtlinge.
Als mehr als ein Ausrufezeichen ist es deshalb anzusehen, dass Papst Franziskus am 8. Juli diesen Jahres seine erste Reise als Kirchenoberhaupt auf eben jene Insel unternahm. Er prangerte die Flüchtlingspolitik Europas und die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal der Migranten an. Vor allem der Tod von Flüchtlingen bei der Überfahrt sei für ihn ein schmerzlicher „Dorn im Herzen“. Ursächlich machte er für diese Tragödie die Wohlstandskultur verantwortlich, die dazu führe, dass „wir nur an uns selbst denken“. Sie macht uns, so der Papst weiter, „gefühllos dem Aufschrei der anderen gegenüber“ und „lässt uns in schönen Seifenblasen leben.“
Was es heißt, den Eintritt verwehrt zu bekommen und draußen bleiben zu müssen, davon kann der Bittsteller aus dem heutigen Evangelium ein Lied singen. Im Mittelpunkt der Schriftstelle steht das Gespräch zwischen dem Hausherrn und dem um Einlass Bittenden. Dieser wird mit drastischen Worten abgewiesen, und ihm wird eine düstere Zukunft vorhergesagt: „Da werdet ihr heulen und mit den Zähnen knirschen, wenn ihr seht, dass Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes sind, ihr selbst aber ausgeschlossen seid.“
Um dieses viel sagende Evangelium besser einordnen zu können, ist es zunächst wichtig, einen Blick auf seinen Ausgangspunkt zu richten. Jesus bekam auf seinem Weg nach Jerusalem nämlich die mehr als wichtige Frage gestellt, ob es nur wenige sind, die gerettet werden. Zur Illustration seiner Antwort verwendete er in der Folge das Bild von der engen Tür, durch die zu gelangen man sich „mit allen Kräften“ bemühen sollte, um in das Reich Gottes zu kommen. Im bereits angesprochen Zwiegespräch zwischen Bittsteller und Hausherr lässt der um Einlass Bittende dann wirlich nichts unversucht. Er weist darauf hin, dass man bereits miteinander „gegessen und getrunken“ habe. Jedoch ist dieser Hinweis ebenso zum Scheitern verurteilt, wie seine Anspielung: „Du hast auf unseren Straßen gelehrt“.
Was hier deutlich wird ist, dass die Beziehungsebene zwischen Bittsteller und Hausherr nicht stimmt. Die verzweifelten Versuche des um Einlass Bittenden, mittels vermeintlicher Belege, so etwas wie Nähe zum Herrn des Hauses herzustellen, scheitern. Auf uns übertragen könnte dies bedeuten, dass das bloße Wissen um die Lehre des Herrn und das bloße „Essen“ am Tisch des Herrn noch keine Garantie für eine wirkliche Nähe zu Gott sind. Entscheidend ist und bleibt das persönliche Verhältnis zu Gott, das sich nicht anhand einer Checkliste ablesen lässt. Dementsprechend sollten wir innerhalb der Kirche auch äußerst vorsichtig sein, wen wir als „drinnen“ oder „draußen“ ansehen.
Ausgrenzung und Diskriminierung haben viele Gesichter. Schlaglichtartig sei in diesem Zusammenhang noch auf ein weiteres aktuelles Problemfeld hingewiesen, zu dem Papst Franziskus Stellung bezog. Er sprach am 30. Juli mit Blick auf Homosexuelle, die Gott suchen und Menschen guten Willens sind, die richtungsweisenden Worte: Wer bin ich, sie zu verurteilen. Gerade in Zeiten vermehrter Übergriffe gegen Homosexuelle, z.B. in Russland, ein mehr als wichtiges Wort, dass sich jeder innerhalb und außerhalb der Kirche zu Herzen nehmen sollte.
„Wir müssen draußen bleiben“, kennen wir von Hinweisschildern, dass Hunde unerwünscht sind. Viele Flüchtlinge und am Rande Stehende bekommen dies zu spüren. Wenn allerdings Hunde so wie manche der Genannten behandelt werden würden, wären sicherlich schon viele Tierschutzorganisationen erfolgreich Sturm dagegen gelaufen. Papst Franziskus hat mit seinen Worten in der letzten Zeit ein Ausrufezeichen gesetzt. Es ist an uns, den Worten des Papstes Taten folgen zu lassen und dem „Aufschrei der anderen“ nicht gefühllos zu begegnen. Es ist vielmehr an uns, Beziehung zu ihnen zu knüpfen und zu leben. Wenn wir das schaffen, dann können wir sicher sein, dass wir nicht nur den Ärmsten der Armen nahe sind, sondern auch dem nahe kommen, nach dessen Nähe wir uns für alle Ewigkeit sehnen.

Artikel teilen:

Weitere Nachrichten

27.10.17
Redaktion der pilger

Ja zum Kompromiss

Es geht um das Funktionieren des Staates
27.10.17
Redaktion der pilger

Vielfältiges Brauchtum

Mal besinnlich, mal heiter – Im Herbst haben Feiertage Hochkonjunktur
27.10.17
Redaktion der pilger

„Ihr werdet erwartet“

Weihbischof Georgens sendet Priester der Weltkirche zum Dienst im Bistum aus
27.10.17
Redaktion der pilger

Furchtlos für Frauenrechte

Frauenverbände aus dem Bistum treffen Ordensfrau aus Burkina Faso
27.10.17
Redaktion der pilger

Hilfe zur Selbsthilfe für ein besseres Leben

Kreuzbund im Bistum Speyer feiert am 5. November sein 40jähriges Bestehen
27.10.17
Redaktion der pilger

Der Glaube der Abgeordneten

Auch im neuen Bundestag sind wieder viele engagierte Christen vertreten
27.10.17
Redaktion der pilger

Lebensleiter steht sicher in Gott

Alle Menschen sehnen sich nach Halt, Sicherheit und Sinn – Gedanken zum...
19.10.17
Redaktion der pilger

1000. Geburtstag von Kaiser Heinrich III.

Salierkaiser am 28. Oktober 1017 in Goslar geboren – Grab im Speyerer Dom
18.10.17
Redaktion der pilger

Für das Recht auf Familiennachzug

Kardinal Marx stellte sich der Hauptstadtpresse und richtete kritische Fragen an...
18.10.17
Redaktion der pilger

Fakten rund um den Familiennachzug

Fragen und Antworten zu Asylregelungen – Haltung der Kirchen
18.10.17
Redaktion der pilger

Fehlender Glaube begünstigt Nationalismus

Über das Erstarken der patriotischen Rechten
18.10.17
Redaktion der pilger

Ich gehöre niemandem – außer Gott

Das schränkt uns nicht ein, sondern macht uns erst richtig frei – Gedanken zum...
18.10.17
Redaktion der pilger

Raum des Friedens und Miteinanders

Pontifikalamt zum 100. Geburtstag der Kirche St. Sebastian in Rockenhausen
18.10.17
Redaktion der pilger

Eine Geschichte von Missverständnissen

Vor 25 Jahren rehabilitierte Johannes Paul II. Galileo Galilei
18.10.17
Redaktion der pilger

Unterwegs für Waisenhaus in Uganda

42. Ökumenischer Hungermarsch Böhl-Iggelheim
12.10.17
Redaktion der pilger

Die farbigen Schätze der Ockerbrüche von Roussillon

Der natürliche Farbstoff diente schon in der Steinzeit für Höhlenmalereien
12.10.17
Redaktion der pilger

Neu: „Das offene Ohr“ auf dem Rosenberg

Fünfköpfiges Team steht für Gespräche zu jeder Thematik des Lebens zur Verfügung
12.10.17
Redaktion der pilger

Perspektiven für Mädchen in Albanien

Renovabis dankt Aktion Silbermöwe für Unterstützung
12.10.17
Redaktion der pilger

Das Fest findet statt, mit oder ohne uns

Gott lädt ein und deckt den Tisch, nicht wir – Gedanken zum Matthäus-Evangelium 22,...
12.10.17
Redaktion der pilger

Abriss als letzte Lösung

Bestes Gegenmittel ist Wiederbelebung des Glaubenslebens
12.10.17
Redaktion der pilger

Von Populismus bis Ökumene

Erste Begegnung zwischen Papst und Bundespräsident
12.10.17
Redaktion der pilger

Umgang mit Missbrauch weiter Thema

Der Beauftragte der Bischofskonferenz sieht ständige Herausforderung
06.10.17
Redaktion der pilger

Der Dom zu Lund und das „Speyer-Gefühl“

Wissenschaftliches Forum des Dombauvereins mit Prof. Dr. Christofer Herrmann
04.10.17
Redaktion der pilger

Familien erhalten Unterstützung

Pfarrer Erich Steigner versorgt im Kosovo Bedürftige mit Hilfsgütern
04.10.17
Redaktion der pilger

Schwieriges Erinnern an den Kanzler der Einheit

Erst vorpreschen, dann Rückzieher. Kommunen tun sich schwer, Straßen umzubenennen
04.10.17
Redaktion der pilger

Zertifikatsübergabe beim „Pilger“

Kitas und Ganztagsschulen beenden Qualifizierungsmaßnahme
04.10.17
Redaktion der pilger

Der Eckstein der Weltordnung

In einer Welt ohne Gott herrschen Ausbeutung und Gewalt – Gedanken zum...
04.10.17
Redaktion der pilger

Ausgewogene Vorwahlberichterstattung

Erhobene Kritik teilen die Wähler nicht
04.10.17
Redaktion der pilger

Papst wirbt für Mut zu Europa

Franziskus wendet sich bei Besuch in Bologna auch an Religionsführer
04.10.17
Redaktion der pilger

Klimaschutz, AfD und Islam

Bischöfe hatten bei Herbstversammlung politische Fragen auf der Tagesordnung
01.10.17
Redaktion der pilger

„Den Atem des Gebets“ im Dom spüren

Pontifikalamt mit Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann zum 956. Fest der Domweihe
26.09.17
Redaktion der pilger

Die ungleichen Brüder

Wenn das Ja zum Nein wird und das Nein zum Ja – Gedanken zum Matthäus-Evangelium...
26.09.17
Redaktion der pilger

Hängt Naziglocke im Kirchturm?

Wendelinuskapelle Essingen: Glockensachverständige prüft Handlungsoptionen
26.09.17
Redaktion der pilger

Kurienreform in der Schlussphase

Leitungszentrale im Vatikan wird neu ausgerichtet – Antwort auf Erfordernisse
20.09.17
Redaktion der pilger

Faszinierende Begegnung

Netzwerke der Freundschaft gegen Netzwerke des Bösen aufbauen
20.09.17
Redaktion der pilger

Löwenherz-Ausstellung widmet sich einem Mythos

Die Schau wirft auch kritische Blicke auf den englischen Köing
20.09.17
Redaktion der pilger

St. Ulrich ist kein Gotteshaus mehr

Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann profanierte frühere Kirche in Haßloch
20.09.17
Redaktion der pilger

95 Thesen für eine bessere Welt

Misereor und Slow Food wollen die Ernährung „reformieren“
20.09.17
Redaktion der pilger

Bei den chancenlosen Töchtern Gottes

Schwester Lea Ackermann – Notizen über eine außergewöhnliche Frau
20.09.17
Redaktion der pilger

Glaube, Familie, Ethik, Flüchtlinge

Wichtige Themen im Wahlkampfendspurt aus Sicht der Kirchen