Redaktion der pilger

Freitag, 16. April 2021

Segnen, um Gottes Willen

Vielen homosexuellen Paaren ist ihr Glaube wichtig, und sie wollen ihre Beziehung unter den Segen Gottes stellen. (Foto: KNA)

Die Liebe eines homosexuellen Paares als Gotteserfahrung

Was sinnvoll, selbstverständlich und notwendig ist, das tut man einfach, und damit ist es gut. Es wird nicht an die große Glocke gehängt. So habe ich es gemacht. Ich habe vor einiger Zeit ein homosexuelles Paar gesegnet. Und eben kein Aufhebens darum gemacht. Nicht, weil ich Angst hatte, sondern weil dieser Segen für die beiden war, seinen Wert in sich hatte und eigentlich nichts Aufsehenerregendes war. Weil er eine seelsorgliche Selbstverständlichkeit, ja, sogar eine theologische Notwendigkeit war. Jetzt, nach dem vatikanischen Schreiben und der Debatte über dieses Thema, möchte ich meine Erfahrung und deren Reflexion als meinen persönlichen Beitrag zur notwendigen Auseinandersetzung und Klärung beisteuern.

Um bestimmten kritischen Leserinnen und Lesern unnötige Phantasien zu ersparen: Ich selbst bin nicht homosexuell; ich argumentiere also nicht „pro domo“, für „Meinesgleichen“ oder um „etwas für mich selbst herauszuschlagen“. Ich betrachte die aufgeworfene Frage schlicht als Theologe, Seelsorger und geistlicher Begleiter. Ich habe in Dogmatik promoviert und habe nach der Priesterweihe bewusst noch eine zweijährige Ausbildung in klientenzentrierter Beratung und dann noch zum Geistlichen Begleiter/Exerzitienbegleiter absolviert; mir ist eine ganzheitliche Spiritualität sehr wichtig. Und mit den von daher rührenden Kompetenzen und Erfahrungen bin ich seit bald 33 Jahren Priester, und zwar nach wie vor mit großer Begeisterung. Ich liebe meine Kirche – und leide deshalb auch mit ihr und an ihr. Denn ich erlebe ihre Stärken und ihre Schwächen und Fehler. Und weil ich sie liebe, drängt es mich jetzt, meine Erfahrung zum diskutierten Thema beizusteuern.
Ich habe ein homosexuelles Paar gesegnet. Wie es dazu kam und warum ich diesen Segen gespendet habe, das möchte ich jetzt erzählen und dabei meine Beweggründe und die Sachgründe transparent machen. 

Sie lieben sich und stehen in großer Treue zueinander
Eine befreundete Familie, die ich schon seit 1980 kenne, hat vier Kinder. Eines davon, Thomas, ist homosexuell. Als das „herauskam“, haben die Eltern kurz geseufzt – aber sich schnell gut darauf eingestellt: Es war und ist keine Frage, dass „das sein darf“, dass Thomas diese zunächst unerwartete sexuelle Orientierung hat und dass er genauso angenommen ist wie seine Geschwister. Thomas hat sich dann mit einem homosexuellen Mann angefreundet – vor über 20 Jahren. Seitdem leben sie zusammen. Sie lieben sich und stehen in großer Treue zueinander. Und so, wie sie füreinander da sind und miteinander „durch Dick und Dünn“ gegangen sind, muss das wirklich echte Liebe sein. Ein Beispiel: Klaus, der Partner von Thomas, ist selbständig; er hat eine kleine Firma, die er selbst auch operativ leitet. Vor einigen Jahren ist er schwerer krank geworden und konnte seine notwendigen Berufstätigkeiten nicht mehr wie gewohnt und wie notwendig ausüben. Zu der Zeit war Thomas, der bei einem großen Unternehmen angestellt ist, gerade kurz vor dem entscheidenden Karrieresprung; die zukünftigen beruflichen Möglichkeiten waren für ihn sehr reizvoll. Doch in dem Moment, als Klaus so krank wurde, hat er ohne zu zögern seine Karriere sein lassen, damit er seinem geliebten Partner beruflich beistehen kann – und hat dann ihn und seine Firma mitgetragen. Bis heute unterstützt er ihn so; es ist gar keine Frage für ihn, dass er dafür seine Karriere geopfert hat. Das ist wohl auch eine Frucht seiner christlichen Überzeugung und Prägung. Er und sein Partner sind beide katholisch; Glaube und Kirche sind ihnen wichtig.
Da es für die beiden schon immer klar war, dass sie als Paar fest zusammen sein möchten, haben sie das als „eingetragene Lebenspartnerschaft“ besiegelt, sobald das rechtlich möglich war. Und als zehn Jahre später die „Ehe für alle“ eingeführt worden ist, war für sie der nächste, selbstverständliche Schritt, dass sie baldmöglichst heiraten wollten.
Selbstverständlich, weil sie ja schon über 20 Jahre in Liebe, verbindlich und treu zusammen lebten – und die amtliche Eheschließung gab ihnen nun die Möglichkeit, das entsprechend zu besiegeln und zu „dokumentieren“ – und zu feiern. Als sie nun ihre standesamtliche Hochzeit vorbereitet haben, haben Thomas und seine Eltern mich als priesterlichen Freund der Familie angesprochen, ob ich nicht im Zusammenhang mit der Hochzeit dem Paar einen Segen spenden könnte; das war den beiden ein tiefes Bedürfnis. 

Seelsorglich und theologisch richtig
Zur Hochzeit in einem kleinen, schönen Trau-Raum des Standesamtes kamen die Familie und Freundinnen und Freunde; es war nicht – wie manche sich das vielleicht vorstellen – eine „extravagante Feier extrovertierter Homo-Freaks“, sondern eine dichte, innige Feier im Kreis der nächststehenden Menschen. Nachdem die Standesbeamtin ihre Trauzeremonie abgeschlossen hatte, bin ich vor die beiden getreten und habe ihnen mit ausgebreiteten Armen den Segen Gottes zugesprochen – wie mir die Worte zu den beiden und diesem für sie so wichtigen Augenblick aus dem Herzen kamen.
Und dabei hatte ich nicht nur kein schlechtes Gewissen (der Gedanke daran kam mir überhaupt nicht) –, sondern ich war und bin bis heute davon überzeugt, dass das stimmig war, nicht nur in der Situation angebracht, sondern auch seelsorglich und theologisch richtig, ja notwendig. Wieso, das habe ich sehr wohl theologisch und spirituell reflektiert.

Thomas und Klaus leben seit über 20 Jahren zusammen. Sie sind in treuer Liebe füreinander da, in einer Liebe, zu der selbstverständlich gehört, dass der eine selbstlos und „aufopferungsvoll“ für den anderen da ist – also eine wirklich reife Liebe. Diese Liebe ist auch keine traute Zweisamkeit, die um sich selbst kreist; zu ihrem Miteinander-Leben gehört selbstverständlich, dass sie Beziehungen und Gemeinschaft mit vielen anderen pflegen und für sie da sind. Also sind sie ein Beispiel von echter, reifer Liebe. Und wenn Gott die Quelle aller wirklichen Liebe ist, dann bedeutet das: Er ist auch die Quelle ihrer Liebe. Gott schreibt auch mit Thomas und Klaus eine, seine Liebes-Geschichte – wie ER es bei allen Menschen tut, die für seine Liebe offen und empfänglich sind und sich davon erfüllen lassen. Wenn aber Gott mit seiner Liebe auch bei diesem Paar „im Spiel ist“, dann spiegelt auch diese ihre Liebe etwas von Gott und seiner Liebe wider. Mit anderen Worten: Die Liebe Gottes gewinnt auch Gestalt in der Liebe dieser beiden Menschen. Dass sie beide homosexuell sind, das ist Gott offensichtlich gleichgültig, ganz egal – wenn er sie doch so deutlich spürbar mit seiner Liebe erfüllt und ihnen dadurch die Kraft gibt, so sehr füreinander und für andere da zu sein. 
Wenn das so ist, dann bedeutet das aber, dass wir auch in dieser ihrer Liebe die Liebe Gottes, die dahinter steht und darin „herauskommt“, erfahren können. Die Liebe dieses homosexuellen Paares ist also ein „Ort der Gotteserfahrung“, nichts weniger. Wenn ich das so interpretiere, dann identifiziere und benenne ich damit nur das, was – theologisch genau betrachtet – in dieser Erfahrung drinsteckt und zum Ausdruck kommt, nichts anderes.

Gottes Liebe ist tatsächlich grenzenlos
„Gott umarmt uns mit der Wirklichkeit“ – diese geistliche Erfahrung und Überzeugung geht auf den heiligen Ignatius von Loyola zurück, den Gründer der Jesuiten und den Erfinder der Exerzitien. Auch hier, in dem, was ich erlebt und geschildert habe, „umarmt uns Gott mit der Wirklichkeit“. Und offensichtlich zeigt er uns dadurch, dass seine Liebe tatsächlich grenzenlos ist, allen Menschen gilt – und deshalb selbstverständlich auch in jeder Hinsicht homosexuellen Menschen zugutekommt. Offensichtlich, wie die Erfahrung lehrt, nicht nur, indem er einzelne homosexuelle Menschen dazu befähigt, für sich als liebevolle Menschen zu leben, – sondern auch, indem er zwischen zwei homosexuellen Menschen eine wirkliche, reife Liebe als Fürsorge und Hingabe wachsen lässt und fördert, so sehr, dass sie in dieser Qualität transparent wird auf SEINE Liebe. Da Gott einhundert Prozent inklusiv denkt und handelt (Der Himmel, dass er die Menschen als Individuen und in versöhnt vollendeter Gemeinschaft in sich hineinnimmt, ist die Vollendung seines inklusiven Heilshandelns!), denkt er offensichtlich auch nicht abgrenzend und exkludierend in der Unterscheidung „heterosexuell – homosexuell“.

Gottes Liebe ist ohne wenn und aber bedingungslos.
Und da eben im Leben von Thomas und Klaus, deren Lebensentwurf deutlich christlich geprägt ist, schon längst herauskommt, dass die beiden von Gott Gesegnete sind, war es für mich keine Frage, dass ich ihnen diesen Segen Gottes in dem Augenblick nochmals eigens zuspreche, wo sie ihre gottgeschenkte Liebe bei der Hochzeit feiern und besiegeln. Ist das nicht sogar um Gottes willen notwendig? Notwendig, weil ich, wenn ich ihnen den Segen nicht gespendet hätte, so getan hätte, als ob ihre Liebe mit der Liebe Gottes zu uns nichts zu tun hätte – ich hätte mich blind gestellt für die Liebe Gottes und sein Wirken unter uns. Ich hätte das Wirken Gottes missachtet und verdunkelt. Durch den Segen habe ich nur das Wirken Gottes an und durch Thomas und Klaus anerkannt und bewusst gemacht – damit allen (zumindest bei der Hochzeit) etwas aufgeht über den Gott der Liebe und sein Wirken. 

Ich hätte keinen Blick gehabt für den Gott der Liebe
So gesehen ist dieser Segen also wirklich seelsorglich und theologisch selbstverständlich, ja um Gottes Willen notwendig. Seine Verweigerung hätte bedeutet, dass ich keinen Blick gehabt hätte für den Gott der Liebe und sein konkretes Wirken an dieser Stelle. Aber „Gott umarmt uns mit der Wirklichkeit“ – und dabei überrascht er uns manchmal auch und führt uns zu tieferen Erkenntnissen und auf neue Wege. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Und ich bin gespannt, wofür er mir in Zukunft noch die Augen und das Herz öffnen wird. (Domdekan Dr. Christoph Maria Kohl)

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