Redaktion der pilger

Mittwoch, 17. Februar 2021

Gott ist da

Umkehr heute: ein Perspektivwechsel

„Führe uns nicht in Versuchung“ – so beten wir im Vater unser. Wir sind es gewohnt, diese Worte auszusprechen, und doch gehen sie manchmal nicht leicht über die Lippen. Im Bibelgespräch wird es gelegentlich angesprochen: Wie kann es sein, dass Gott uns in Versuchung führt? Gott will doch das Leben für uns und führt uns zum Guten. Versuchung im Zusammenhang mit Gott zu begreifen, das ist schon eine Herausforderung der ganz eigenen Art.
Im heutigen Sonntagsevangelium wird in wenigen Versen von der Versuchung Jesu erzählt, die sich an die Taufe anschließt. Sogleich trieb der Geist Jesus in die Wüste. Kein Nachklingenlassen des Erlebten, kein Ausruhen in der Freude der Tauferfahrung, sogleich geht es weiter, und da ist Wüste dran. Hitze, Dürre, Leere: die Wüste steht für einen lebensfeindlichen Ort, und da geht es nicht mal eben um einen kurzen Spaziergang durch den heißen Sand oder den Besuch einer Oase mit Palmen und Früchten, sondern um 40 Tage – eine volle, eine erfüllte Zeit in der Wüste, die durchaus an die 40 Jahre des Volkes Israel in der Wüste erinnert. Wüste pur – außen und innen.
In den Gesprächen, die ich zurzeit mit Menschen führe, werden mir immer wieder Erfahrungen geschildert, die mich an die Wüste denken lassen. Im Krankenhaus ohne die Möglichkeit von Besuchen sicher ganz besonders, aber auch in anderen Lebenssituationen steht die Erfahrung von Isolation und Einsamkeit im Mittelpunkt. Keine Begegnungen, kein Austausch, keine oder nur ganz wenige Eindrücke von „draußen“. Eine lebensfeindliche Situation ist es, wenn die Nähe zu anderen Menschen als Bedrohung erlebt wird, wenn das Miteinander, aus dem wir sonst leben und Kraft schöpfen, auf einmal zu einer Gefahr wird. Unsere Wüste ist vielleicht also unser Leben in Zeiten einer Pandemie, in der all unsere Gewohnheiten, unsere Werte, unsere Normalität auf den Kopf und in frage gestellt werden. Wie sieht dann unsere Versuchung aus?
Das Markusevangelium sagt nichts Näheres über die Versuchung Jesu, wie sie bei Matthäus und Lukas geschildert wird. Zu 40 Tagen in der Wüste gehören alle Erfahrungen, die unser Menschsein ausmachen: Glück und Trauer, Angst, Sorge, Freude und Hoffnung – und eben auch die Versuchung, ausschließlich um uns selbst zu kreisen und nur auf unsere Fähigkeiten und Bedürfnisse zu schauen – aber auch die andere Seite der Versuchung, uns selbst untreu zu werden und uns aufzugeben für Werte, die andere uns vorhalten.
Für viele Menschen besteht die Versuchung im Moment darin, sich fallen oder gehen zu lassen, weil es keine gewohnten Abläufe gibt, weil Verpflichtungen wegfallen, Aufgaben und Ehrenämter nicht ausgeübt werden können und damit auch der Sinn ganz grundsätzlich in frage steht. Warum morgens aufstehen, wenn es doch niemand kümmert? Warum mich anziehen, die Wohnung putzen, wenn niemand es sieht, wenn niemand danach und nach mir fragt? Warum das alles, warum nachfragen, mich interessieren für andere, wenn doch auch an mir (scheinbar) niemand Interesse hat?
Das Evangelium berichtet, dass Jesus nach der Gefangennahme des Täufers nach Galiläa geht, um das Evangelium zu verkünden. Die frohe Botschaft muss weitergegeben werden, gerade in traurigen, düsteren Zeiten. Also zieht er los und spricht Menschen an mit der Verheißung: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ Die Frohe Botschaft verlangt nach einer Umkehr, einem Sinneswandel. Vielleicht könnten wir von einem Perspektivwechsel sprechen, den das Evangelium fordert, aber gleichzeitig auch erst ermöglicht.
Das Reich Gottes nahe zu wissen, verändert den Blick auf die Welt. Den Morgen und das Licht des Tages vor Augen zu haben, lässt auch mitten in der Nacht daran glauben und davon sprechen.
Es könnte doch sein, dass für uns gerade in diesem Jahr nicht die Umkehr von einem „falschen“ auf den „richtigen“ Weg dran ist, sondern dass es um die Perspektive auf das Leben geht. Der Sorge um einen anderen Menschen Ausdruck geben, nicht daran verzweifeln. Dem oder der anderen sagen, wie sehr ich ihn oder sie vermisse – auch wenn niemand das mir sagt. Mich der Versuchung widersetzen, dass alles sinnlos ist, und meinem Tag heute einen Sinn geben, indem ich zu einem Menschen Kontakt aufnehme, ihm zuhöre, ihr ein kleines Licht anzünde – im wörtlichen oder im übertragenen Sinn.
Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nah: Es ist unter uns – wirklich und spürbar, wenn wir es da sein lassen und unseren Blick darauf hin lenken. „Du bist da, wo Menschen leben“ – heißt ein kleines Lied, das wir oft mit Kindern singen. Es lässt sich beliebig abwandeln: Du bist da, wo Menschen lachen, weinen, hoffen, leiden, danken, sehnen, beten…
Du bist da, Gott, wo immer wir sind – nicht anders als vor der Pandemie – heute und morgen, wann immer wir es zulassen.

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