Redaktion der pilger

Donnerstag, 14. November 2013

„Der Weg ist nicht das Ziel“

Gertrudis bietet für Pilger ein Gartenhäuschen mit Familienanschluss. Foto: KNA

In Oberbayern wartet ein Gartenhäuschen auf müde Jakobspilger

Pilgern strengt an. Nach dem Fußmarsch wünscht sich die müde Seele nur noch eine heiße Dusche und ein weiches Bett. Im oberbayerischen Hohenpeißenberg hat der fromme Wanderer die Wahl: Hotel – oder Gartenhäuschen, allerdings ohne fließend Wasser und elektrisches Licht, dafür mit Familienanschluss.

An der Hauswand hängt eine gelbe Jakobsmuschel auf blauem Grund. So
mancher läuft an dem Hinweisschild für Pilger vorbei, weil der Vorgarten stark zugewachsen ist. Doch wer sich bei Getrudis anmeldet, den holt die Musiklehrerin auf dem schmalen Feldweg, der auf die Anhöhe führt, persönlich ab. Überrascht sind die meisten nicht nur von der zierlichen Statur der Gastgeberin, sondern auch nach einem ersten Blick von der Unterkunft. Zwei Feldbetten, ein Tisch, ein Regal – „nett“, sagen die meisten bloß verdutzt. Gertrudis lächelt dann still in sich hinein.
1988 war das Jahr, das ihr Leben veränderte. Zum ersten Mal ging Gertrudis damals nach Santiago de Compostela. Sie habe dabei zum Glauben gefunden, viel mehr will sie dazu nicht sagen. Seitdem aber scheint ihr Leben mit dem Jakobsweg eng verwoben. Sie lief immer wieder los, arbeitete in Pilgerherbergen, verliebte sich unterwegs. Bald darauf zog sie nach Hohenpeißenberg – und sogar dorthin folgte ihr der Pilgerpfad. Seit zehn Jahren führt der neue Münchner Jakobsweg direkt an ihrem Wohnsitz vorbei. „Ich habe sofort das Häuschen gebaut“, erzählt sie – und klingt immer noch euphorisch dabei.
Auf deutschen Jakobswegen gibt es auch noch andere alternative Unterkünfte: In Wessobrunn steht ein Bauwagen bereit, in Bernbeuren eine ehemalige Ferienwohnung, in Rothenburg ob der Tauber ein kleines Zimmer „mit Familienanschluss“. Walter Stepanek vom Jakobsverein Augsburg berichtet von einer besonderen Pilgererfahrung: „Wenn Sie es nicht erwarten, sondern nur hoffen, nimmt Sie schon mal ein Passant mit nach Hause.“
Bei Gertrudis meint „Familienanschluss“, sich das Bad in ihrem Privathaus mit der Familie zu teilen; selbst der Seifenspender hat die Form einer Muschel. Der Pilger bekommt aber auch gute Tipps von ihr für seine Mission. Da nimmt er es gerne in Kauf, in der Hütte zu übernachten: „Ich habe oft in Turnhallen geschlafen und bin morgens auch mal ohne Dusche los.“ In der einfachen Herberge sucht man den Lichtschalter vergebens, eine Taschenlampe und Kerzen müssen reichen. Über der Tür hängt eine Leine. Die Quartiergeberin findet das „viel wichtiger“, muss doch die nasse Wäsche irgendwo trocknen.
Spätestens nach dem gemeinsamen Essen in der wohnlichen Küche weiche die anfängliche Skepsis ihrer Gäste, erzählt die Pädagogin. Sie wissen dann, dass sie sich wie zu Hause fühlen dürfen. Im Flur hängen die Jacken und Schuhe ihrer zwei Kinder. Extra aufgeräumt wird sicher nicht. Rund 50 Pilger klopfen im Jahr bei ihr an. Ein Logbuch mit Namen und Adressen lässt viele Erinnerungen lebendig werden.
So manch intensives Gespräch fand in der Küche statt, wo der Pilger sich aufwärmen kann. Im Quartier dagegen gibt es keine Heizung. Kuschelig wird es erst, wenn drei oder vier Pilger da- rin schlafen.
Vor einiger Zeit standen zwei Wanderer mit ihren Lamas vor der Tür. Kurz darauf kam eine Pilgerin mit Hund. Platz hatten trotzdem alle, die Tiere allerdings mussten draußen bleiben. Begeistert denkt Gertrudis auch an den Pianisten, der spontan mit ihrem Sohn musiziert hat.
Das Gästebuch ist fast vollgeschrieben. Viele Postkarten zeugen davon, dass die Pilger sich auch später noch gern an ihren Aufenthalt in Hohenpeißenberg erinnern. „Der Weg ist nicht das Ziel!“ Diese Erfahrung gibt Gertrudis ihren Gästen für die weite Reise zum Abschied mit. Von Hohenpeißenberg sind es noch stattliche 2000 Kilometer. (red)

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