Mittwoch, 12. Oktober 2022
Kirche entdeckte sich neu
Erinnerung an Konzilsbeginn vor 60 Jahren und Mahnung zur Einheit
Mit einem feierlichen Gottesdienst am 11. Oktober im Petersdom hat Papst Franziskus an das Zweite Vatikanische Konzil vor 60 Jahren erinnert. Der Papst rief die katholische Kirche mit dramatischen Worten zur Einheit auf. Das letzte weltweite Konzil war am 11. Oktober 1962 von Papst Johannes XXIII. eröffnet worden und hatte weitreichende Reformbeschlüsse gefasst. Seither hat es in der katholischen Kirche immer wieder theologische und kirchenpolitische Richtungsdebatten gegeben, die bis heute anhalten.
In seiner Predigt mahnte Franziskus eindringlich, die Polarisierungen in der Kirche zu überwinden: „Der Teufel will das Unkraut der Spaltung säen. Erliegen wir nicht seinen Täuschungen, erliegen wir nicht der Versuchung der Polarisierung.“ Zu oft hätten sich Christen nach dem Konzil „für eine Seite in der Kirche entschieden“ und damit „das Herz ihrer Mutter zerrissen“. Statt Diener aller sein zu wollen, habe man „Anhänger der eigenen Gruppierung“ sein wollen: „Progressive und Konservative statt Brüder und Schwestern, ‚der Rechten‘ oder ‚der Linken‘ statt Jesus zugehörig“.
Mit Blick auf das Konzil vor 60 Jahren sagte der Papst, mit ihm habe die Kirche sich zum ersten Mal in der Geschichte dem Nachdenken über ihr eigenes Wesen und ihre Sendung gewidmet und sich dabei neu als Volk Gottes und als Leib Christi entdeckt.
Dennoch bestehe weiterhin „die Versuchung, dass wir vom eigenen Ich statt von Gott ausgehen, dass wir unsere Ziele über das Evangelium stellen, uns vom Wind der Weltlichkeit mitreißen lassen und den Moden der Zeit hinterherjagen, dass wir die Gegenwart ablehnen, die uns die Vorsehung schenkt, und uns nach der Vergangenheit umwenden. Doch Vorsicht: Sowohl der Progressivismus, der sich der Welt anpasst, als auch der Traditionalismus, der einer vergangenen Welt nachtrauert, sind keine Beweise der Liebe, sondern der Untreue.“
Seine Kirche rief der Papst auf, zum Konzil zurückzukehren, „das den lebendigen Fluss der Tradition wiederentdeckt hat, ohne in den Traditionen zu erstarren“. Und weiter sagte Franziskus: „Kehren wir zum Konzil zurück, um aus uns selbst herauszugehen und die Versuchung der Selbstbezogenheit zu überwinden.“
Konzil prägt den Reformdialog bis heute
Das vor 60 Jahren eröffnete Zweite Vatikanische Konzil hat aus Sicht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, großen Einfluss auf den Reformdialog der Kirche in Deutschland: „Das Konzil ist auch prägend für unseren Weg der Umkehr und Erneuerung mit dem Synodalen Weg“, sagte Bischof Bätzing am 11. Oktober.
Konzil findet seine Fortsetzung in Weltsynode
Das Synodensekretariat im Vatikan ordnete indes die von Franziskus einberufene Weltsynode (2021-2023) als Fortsetzung des großen Reformkonzils ein: In einer 10. Oktober veröffentlichten Erklärung heißt es, Ziel der Synode sei es, den „Stil des Zweiten Vatikanums“ fortzusetzen und im Volk Gottes die lebendige Umsetzung seiner Lehren zu fördern. In den Jahrzehnten nach dem Konzil habe die Synode, die bis vor kurzem noch als Bischofssynode bezeichnet wurde, dazu beigetragen, das Gesicht der Kirche zu erneuern und dies „in einer immer tieferen Treue zur Heiligen Schrift und zur lebendigen Tradition und mit einem aufmerksamen Hören auf die Zeichen der Zeit“. Auch der derzeitige „Synodale Prozess“ in der Weltkirche folge der Spur des Zweiten Vatikanischen Konzils. (KNA)