Donnerstag, 26. September 2013
Glaube kommt vom Hören
Gedanken zum Sonntags-Evangelium (Lukas 16, 19–31).
Mit diesem Evangelium heute greift Jesus auf ein altes ägyptisches Märchen zurück, das bereits im vierten Jahrhundert vor Christus nachweisbar ist. Zur Zeit Jesu war es in Palästina und auch im griechisch-römischen Raum sehr bekannt. Die Aussage dieses Märchens ist zeitlos wahr; das heißt: es beschreibt zutreffend das Zusammenleben eines Teils der Menschen, das leider so ist bis in unsere Tage.
„Es war einmal ein reicher Mann“– Jesus macht aus dem Märchen eine Beispielerzählung und gibt ihm eine jüdisch-christliche Note: Zwei Personen stehen sich im Leben gegenüber, ein Reicher im Luxus und ein Armer, Schwerkranker. Der Tod bringt ihnen eine totale Umkehrung ihres Schicksals. Hier durchbricht Jesus – ohne viel Worte – das starre Schema der herkömmlichen jüdischen Vergeltungslehre, nach der Reichtum und Wohlstand auf Erden ein Zeichen der Frömmigkeit und des Segens Gottes ist, Armut und Krankheit dagegen eine Sündenstrafe Gottes.
Der Reiche in der Erzählung hat keinen Namen. Das ist Absicht. Er steht als Typus für all jene Menschen, damals wie heute, die in ihrem Reichtum und Wohlstand taub und blind geworden sind: „Taub“ für die Mahnungen der Propheten zu Barmherzigkeit und zum Teilen der Güter, taub für das Beispiel und die Botschaft Jesu, der uns die Armen und gesellschaftlich Ausgegrenzten ans Herz gelegt hat: „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben“ (Matthäus-Evangelium 25,35). „Blind“ für die Bedürftigen vor unserer Haustür, oder für den Kranken im Haus nebenan, blind für die Kriegs- und Armutsflüchtlinge unserer Tage (Syrien, Lampedusa), blind für die vielfache Armut und Not vor der „Haustüre“ Europas. „Immer noch leidet eine Milliarde Menschen auf der südlichen Halbkugel unserer Erde unter extremer Armut“ (Wort der Bischöfe).
Hier wird die Beispielerzählung Jesu für uns drängend und unangenehm. Wir sind involviert. Ob wir mit unserem „kleinen Wohlstand“ genug tun für die Not in der Welt, oder selbstverliebt unser eigenes bescheidenes Leben leben? Gewiss, man könnte verzweifeln! Die Not ist übergroß, und die Entwicklungshilfe, die wir seit Jahrzehnten leisten, trägt Früchte; aber der Hunger und die Unterversorgung in Krankheiten weltweit wird kaum geringer. Dennoch: Wir dürfen nicht müde werden, Gutes zu tun und unseren Wohlstand zu teilen, soweit wir es können. Dazu ruft uns Jesus auf.
Der zweite Teil der Beispielerzählung Jesu bringt einen neuen Gedanken. Der Reiche bittet Abraham, er solle Lazarus auf die Erde schicken, um seine Brüder zu warnen. Antwort Abrahams: „Sie haben Mose und die Propheten“ – für uns ist hinzuzufügen: und die Botschaft Jesu Christi – „auf die sollen sie hören.“ Ein Zeichen, ein Wunder: Auferstehung eines Menschen vom Tod, zur Hinführung zum Glauben wird nicht gegeben. Mehrfach hat das Volk von Jesus ein „Zeichen“ verlangt als Beweis seiner Messianität. Jesus hat es immer abgelehnt. Die beiden letzten Verse der Erzählung Jesu scheinen von dem Evangelisten Lukas angefügt worden zu sein. Vielleicht wollte er daran erinnern, dass die Auferweckung des Lazarus in Betanien die Pharisäer und Hohenpriester eben nicht zum Glauben an Jesus geführt hat, sondern im Gegenteil zu dem Entschluss, Jesus letztlich zu töten (Johannes-Evangelium 11,53). Und selbst die Auferstehung Jesu – muss Lukas fünfzig Jahre danach feststellen – hat nicht zur Umkehr und Bekehrung des auserwählten Volkes geführt.
Der Evangelist will damit seiner Gemeinde und uns heute sagen: Zum Glauben an Jesus Christus kommt man nicht durch die Macht eines sichtbaren Zeichens, eines Wunders. Zum Glauben führt das Hören auf die Botschaft Christi, verkündet und gelebt in der Kirche, in der Gemeinschaft der Glaubenden, und die Annahme des Evangeliums in Freiheit und im Wagnis des Glaubens.