Redaktion der pilger

Mittwoch, 12. Oktober 2022

Die Frage nach dem Größeren

Im Gebet vertrauen wir Gott unsere Bitten und Wünsche, unsere Sorgen und Nöte an. Und doch geht es im Gebet nicht darum, was wir wollen. Es geht um Gottes Willen, der immer alles Gute für uns will, auch wenn wir dies auf den ersten Blick meist nicht zu erkennen vermögen. (Foto: littleny/AdobeStock.com)

Beim Beten geht es immer um Gottes Plan für uns

Sie wollten etwas in Bewegung bringen: die Mütter von der Plaza del Mayo in Buenos Aires. Seit dem 30. April 1977 umrundeten jeden Donnerstag Frauen mit einem weißen Kopftuch schweigend den Platz vor dem Präsidentenpalast. Sie wollten wissen, wo ihre verschwundenen Kinder sind: junge Leute, deren einziger Fehler es war, politisch auf der falschen Seite zu stehen. Insgesamt 30 000 Personen waren verschwunden, seitdem das Militär 1976 die Macht ergriffen hatte. Die Mütter gehören zu den wenigen Menschen in Argentinien, die öffentlich protestierten. Sie waren mutig, gaben nicht auf.

Wie die Witwe aus dem Gleichnis Jesu (Lukas-Evangelium 18, 1–5(8)). Sie bringt etwas in Bewegung: Immer wieder erscheint sie vor dem Amtssitz des Richters. Ein Kerl, der Gott nicht fürchtet – und Menschen eh nicht. Doch die Frau ist anders als manches Witwenklischee es will. Sie ist kein armes Mütterchen, das still alles erduldet, sondern sie kämpft für ihr Recht. Am Ende bekommt der Richter Bammel vor ihr: „Ich tue besser, was sie will, sonst schlägt sie mir noch ins Gesicht.“ Wörtlich heißt es – und da sieht man mal wieder Jesu Sinn für Humor: Sie haut mir sonst ein blaues Auge…

„Lasst nicht nach im Beten, seid so hartnäckig wie diese Witwe“, sagt Jesus. „Denn das bringt etwas in Bewegung. Wenn doch die Witwe es bei dem käuflichen Richter schafft, dann doch ihr umso mehr bei eurem guten Gott. Er wird euch Recht verschaffen, das Richtige für euch tun.“

Tja, leicht daher gesagt, Jesus... Spricht nicht die Erfahrung so vieler dagegen? Die Erfahrung eines Paulus, der dreimal Gott darum gebeten hat, den Stachel aus seinem Fleisch zu ziehen, ihn von einer Krankheit oder einer Schwäche zu befreien. Ohne Erfolg. Die Erfahrung Jesu selbst am Ölberg, an dem trotz Gebets der Kelch des Leidens nicht vorübergegangen ist. Bringt ausdauerndes Beten wirklich etwas in Bewegung?

Eine Antwort auf diese Frage versucht Klaus Hemmerle, der frühere, verstorbene Bischof von Aachen, zu geben. Er erzählt von Jüngern, die ihren Meister fragen: „Um was sollen wir bitten, damit wir sicher empfangen? Der Meister sagt: „Bittet, um was ihr wollt!“ Da kommt der Einwand: „Aber da machen wir doch die Erfahrung, daß viele unserer Bitten nicht erfüllt werden!“ Darauf der Meister: „Noch einmal sage ich euch, bittet, um was ihr wollt. Aber macht bei eurem Gebet einen Zusatz: Herr, gib mir das – oder mehr! Das, was der Herr euch gibt, ist entweder das Erbetene oder etwas Größeres.“

Ist da nicht etwas dran? Wenn ich um dieses oder jenes bete, auch darum, dass mein Widersacher endlich Ruhe gibt, der in mir und der außerhalb von mir – weiß ich wirklich immer, ob es auch gut für mich ist? Ihnen wurde eine Bitte nicht gleich erfüllt, aber am Ende war es besser so, hat Ihnen mehr Segen gebracht und anderen auch. Für die großen Gestalten der Bibel trifft das zu: Paulus hat durch seinen Stachel im Fleisch gelernt, demütiger zu sein. Und Jesus selbst hat durch sein Leiden Sie und mich zu Kindern Gottes gemacht. Beten bringt also vor allem auch die Person in Bewegung, die betet, bringt sie dazu, nicht mehr zu fragen: Was dient mir?, sondern: Was dient dem großen Ganzen?

Klar ist es herausfordernd, immer das „Mehr“ des Reiches Gottes im Blick zu haben und sich am „Größeren“ zu freuen. Kein Wunder, dass Jesus heute sagt: „Wird der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?“ Den Glauben, dass Gott einen Plan hat mit der Welt und dass er am Ende alles gut macht?

Die Frauen in Argentinien waren nicht alle gläubige Christinnen. Aber auf ihre Weise demonstrierten sie für das „Mehr“. Viele ahnten schon früh: Wir sehen unsere Kinder nicht mehr. Doch sie versammelten sich weiter auf den Platz, weil sie eintreten wollten für eine gerechtere Gesellschaft. Und wenige Jahre später brach die Diktatur zusammen. Ob Jesus das Gleichnis heute erzählen würde mit den Müttern der Plaza del Mayo? (Pfarrer Volker Sehy)

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