Freitag, 11. Juli 2025
Bundestag verschiebt Wahl der drei Verfassungsrichter
Eigentlich sollte der Bundestag am Freitag über drei Verfassungsrichter abstimmen. Nach Kritik aus Teilen der Union an einer SPD-Kandidatin soll die Wahl nun erst nach der Sommerpause stattfinden.
Die Wahl dreier neuer Richter für das Bundesverfassungsgericht soll nun erst nach der Sommerpause stattfinden. Das beschloss der Bundestag am Freitag. Zunächst hatte die Union darauf gedrungen, nur die Wahl der von der SPD vorgeschlagenen Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf abzusetzen. Sie ist auch wegen ihrer liberalen Haltung bei der Abtreibungsregelung umstritten.
Daraufhin berief die SPD-Fraktion eine Sondersitzung ein und verständigte sich mit der Union auf eine Verschiebung der Wahl. Nachdem die Sitzung im Bundestag wieder aufgenommen wurde, stimmten die Abgeordneten von Union, SPD, Grünen und Linken für eine Verschiebung der Wahl. Sowohl der Deutsche Anwaltsverein als auch der Lebensrechtsverein Alfa sprechen von Schäden für die Demokratie.
Streit um liberale Haltung zu Abtreibung
In den Tagen vor der Abstimmung entzündete sich Streit um die Kandidatin Brosius-Gersdorf; vor allem an ihrer Aussage, es gebe gute Gründe dafür, dass die Garantie der Menschenwürde erst ab der Geburt gelte. In der Union war der Unmut über die Personalie größer geworden. Auch Vertreter der katholischen Kirche hatten ihre Sorge über die Nominierung bekundet.
Brosius-Gersdorf war auch stellvertretende Koordinatorin in einer von der vorherigen Bundesregierung eingerichteten Kommission, die eine mögliche Liberalisierung der Abtreibungsregelung prüfen sollte und entsprechende Empfehlungen vorlegte. Über einen interfraktionellen Gesetzentwurf für eine liberalere Handhabung wurde in der vergangenen Wahlperiode nicht mehr abgestimmt.
"Fachliche Expertise in Zweifel"
Die Union begründete die Absetzung der Wahl von Brosius-Gersdorf mit einem Plagiatsverdacht. Der "ziehe die fachliche Expertise in Zweifel", hieß es aus Unionsfraktionskreisen. Diese sei aber zentrales Argument für die Wahl der Kandidatin gewesen. Eine angehende Verfassungsrichterin müsse über jeden Zweifel erhaben sein. Das Plagiatsgutachten wurde von dem österreichischen Publizisten Stefan Weber angefertigt, der in Fachkreisen allerdings umstritten ist. So erwiesen sich einige seiner Vorwürfe später als unbegründet.
Nach der Absetzung machte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann vor allem Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) für die Situation verantwortlich. Das sei ein Desaster, so Haßelmann. Mit dem heutigen Tage nähmen alle drei Kandidierenden für das Verfassungsgericht Schaden, die im Ausschuss des Bundestages zuvor eine Zweidrittelmehrheit bekommen hatten. Haßelmann betonte, dass Spahn vor fünf Wochen den Personalvorschlägen noch im Namen seiner Fraktion zugestimmt habe.
Parteipolitischer Streit
Der Deutsche Anwaltsverein äußerte Bedauern über die Verschiebung der Wahl. Es sei nicht gut, dass die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts zunehmend in parteipolitischen Streit und tagesaktuelle Auseinandersetzungen hineingezogen werde. Völlig inakzeptabel sei, wenn Kampagnen gegen designierte Kandidaten betrieben und dabei wissenschaftlich vertretbare Äußerungen aus ihrem Kontext gerissen würden. Wenn dies Schule mache, würde nicht nur das Richterwahlverfahren, sondern das Bundesverfassungsgericht als solches beschädigt.
Die Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) begrüßte zwar die Entscheidung der Union, Brosius-Gersdorf die Unterstützung zu entziehen. Dazu hätten maßgeblich "der breite und entschlossene Protest der Lebensrechtsbewegung beigetragen". Zugleich erklärte der Verein jedoch, es sei kein guter Tag für Demokratie und Menschenwürde gewesen. (Birgit Wilke/kna)