Montag, 01. September 2025
Das Heilige Jahr und der neue Papst
Nur viermal pro Jahrhundert lädt die katholische Kirche zu den sprichwörtlichen Jubeljahren nach Rom ein. Das Heilige Jahr 2025 begann holprig und erlebte große Trauer - doch inzwischen jubelt man wieder, auch dank Leo.
Das hatte es erst einmal gegeben in der 725-jährigen Geschichte der Heiligen Jahre: Den Tod eines Papstes. Innozenz XII. starb am 27. September des "Anno Santo" 1700. Ein Szenario, das sich Organisatoren und Pilger des laufenden Festjahres gerne erspart hätten.
Doch das aktuelle Giubileo war von Anfang an geprägt durch Alter und Krankheit von Papst Franziskus. Schon als der 88-Jährige am 24. Dezember 2024 die Heilige Pforte in den Petersdom im Rollstuhl passieren musste, waren viele besorgt, sein Klinikaufenthalt ab Mitte Februar brachte das Programm für Wochen durcheinander.
Mit seinem Tod am 21. April trat schließlich der befürchtete GAU ein, tiefe Trauer überschattete das Jubeljahr. Zugleich zeigte der Vatikan sein Organisationsgeschick: Innerhalb weniger Tage wurde die Beisetzung des populären Pontifex mit zahllosen Staats- und Trauergästen auf die Beine gestellt.
Dennoch die bange Frage: Würde das Festjahr wieder Fahrt aufnehmen? Und die vom päpstlichen Heilig-Jahr-Beauftragten Rino Fisichella prophezeiten mindestens 30 Millionen Pilger anlocken? Doch im Juni, noch vor der Halbzeit des laufenden Festjahres, sprach der Erzbischof von über 15 Millionen Pilgern.
"Leo-Effekt"
Zu all dem dürfte in nicht unerheblichem Maß der neue Papst beigetragen haben. Leo XIV., US-Amerikaner mit peruanischem Pass und Wurzeln auf mindestens drei Kontinenten, profiliert sich seit seiner Wahl am 8. Mai als "Giubi-Leo". Die Nagelprobe hatte er Anfang August bestanden: Zum Weltjugendtreffen kamen mehr als eine Million junge Menschen.
Von einem regelrechten "Leo-Effekt" spricht Irmgard Jehle, Geschäftsführerin des Bayerischen Pilgerbüros, das für viele Bistümer und Gruppen Romreisen organisiert: "Franziskus war in Deutschland nie so ein Magnet wie Benedikt XVI. oder Johannes Paul II." Daher seien die Buchungen eher schleppend angelaufen. Mit Weltbürger Leo habe sich das geändert: Deutlich mehr Anmeldungen, am liebsten inklusive Papst-Audienz.
Der Vatikan teilt auf Anfrage mit, bisher seien mehr als 25.000 Pilger aus Deutschland nach Rom gekommen. Allerdings hätten sich viele gar nicht offiziell registriert, so dass man von einer weit höheren Zahl ausgehe.
Stichprobe bei deutschen Diözesen
Eine Stichprobe bei deutschen Diözesen zeigt durchaus Zufriedenheit mit Blick aufs Heilige Jahr. "Die Bistumswallfahrt ist restlos ausgebucht mit 2.248 Anmeldungen", heißt es aus der Diözese Münster. Ähnliches berichtet das Erzbistum Bamberg über seine Diözesan-Romwallfahrt mit Erzbischof Herwig Gössl sowie weitere Wallfahrten von Radpilgern, Ordensleuten oder Pfarreien. Interesse ruft auch die eigens eingerichtete Website hervor.
Für das Erzbistum Köln stehen im Oktober zwei große Romreisen mit hohen Anmeldezahlen bevor: Die Ministrantenwallfahrt (12.-18.10.) mit rund 2.000 Kindern und Jugendlichen sowie die Internationale Wallfahrt des Erzbistums (19.-25.10.) mit knapp 1.000 Teilnehmenden, darunter auch Kardinal Rainer Maria Woelki. Im Bistum Mainz gibt es neben verschiedensten Wallfahrten innerhalb der Diözese unter dem Heilig-Jahr-Motto "Pilger der Hoffnung" auch ungewöhnliche Aktionen. So sind die "Jesus Biker" unterwegs zu Papst Leo, um ihm ein für ihn "getuntes" Motorrad zu schenken, das für einen guten Zweck versteigert werden soll.
Die Erzdiözese Berlin stellt entsprechend dem Heilig-Jahr-Motto regelmäßig sogenannte Hoffnungsorte vor. Ebenso gibt es besonders gestaltete Pilgerstempel, nach Art des Pilgerns auf dem Jakobsweg. Dennoch das eher ernüchternde Fazit: "Nach unserer Wahrnehmung ist das Interesse - abgesehen von den Pilger- und Stempelangeboten, die vielfältig sind - eher gering, jedenfalls was die öffentliche Sichtbarkeit in Kirchen betrifft."
Paul VI. erwog Abschaffung der Heiligen Jahre
Also weg mit den Heiligen Jahren? Das hatte sogar Papst Paul VI. (1963-1978) vor dem Jubeljahr 1975 erwogen, weil ihm die Tradition des Ablasses nicht mehr zeitgemäß erschien. Hier hat Michael Max, Rektor der deutschsprachigen Gemeinde Santa Maria dell'Anima nahe der Piazza Navona, eine besondere Beobachtung gemacht: "Zu uns kommen im Moment viele Leute zum Beichten. Die sagen, das gehört doch zum Ablass dazu, genau wie der Gang durch die Heilige Pforte", berichtet Max. "Das wird ja mitunter belächelt, aber offenbar nehmen Menschen das Heilige Jahr zum Anlass, wieder mal Gewissenserforschung zu treiben."
Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, nimmt insgesamt eine "erfreuliche Popularität" des Festjahres wahr, auch dank Leo XIV., den natürlich viele sehen wollten. Bis zur Schließung der Heiligen Pforte am 6. Januar 2026 stehen noch einige der großen Sonderveranstaltungen bevor, etwa das "Giubileo" der Synodenteams im Oktober, das seitens der Deutschen Bischofskonferenz vom Mainzer Bischof Peter Kohlgraf angeführt werde. Kopps Fazit: "Wenn es solche gesetzten Zeiten wie die Heiligen Jahre nicht gäbe, müsste man sie erfinden." (Sabine Kleyboldt/KNA)