Mittwoch, 21. Juli 2010
PID gefährdet Würde und Demokratie

Mit der PID können gezielt „Babys nach Maß“ ausgewählt werden – die übrigen Embryonen würden vernichtet. Foto: Sebastian Kaulitzki/Fotolia.de
Die Kritik am Urteil des Bundesgerichtshofes in Berlin zur Präimplantationsdiagnostik (PID) hält unvermindert an.
Nachbesserungen am Embryonenschutzgesetz hat in den letzten Tagen unter anderem der Bundesverband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) gefordert. Künftig müssten Gentests an Embryonen generell verboten werden, sagte der KKV-Vorsitzende Bernd Wehner in Essen. „Nur so ist zu gewährleisten, dass die Präimplantationsdiagnostik nicht dazu missbraucht wird, dass Embryonen bei einer künstlichen Befruchtung bereits im Vorfeld – aus welchen Gründen auch immer – aussortiert und letztlich getötet werden.“ Die Menschenwürde sei keine Erfindung des Menschen, die somit „bei Bedarf entsprechend interpretiert werden kann“, so Wehner. Von der Befruchtung an entwickle sich ein Mensch, dessen Schutz von diesem Zeitpunkt an gelte. Alles andere sei Willkür. Ähnlich äußerten sich auch der Katholische Deutsche Frauenbund KDFB, das Kolpingwerk und weitere kirchliche Verbände.
Der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky beklagte eine weitere Abwertung des Embryos zum bloßen Zellhaufen. Arzt und Eltern könnten künftig entscheiden, ob ein Embryo als „lebenswert“ oder „lebensunwert“ einzustufen sei. Das sei menschenverachtend und für die Entwicklung des Werteverständnisses äußerst fatal. Noch weiter ging der Münchner Erzbischof Reinhard Marx mit seiner Kritik: „Wenn ein Mensch über das Leben eines anderen entscheidet, ist der fundamentale Grundsatz der Gleichheit aller Menschen aufgehoben“, sagte Marx in einem Interview: „Damit ist letztlich die Demokratie gefährdet.“ Das Urteil sei ein weiterer Schritt, um „die Grenzen zwischen Schöpfer und Geschöpf“ zu verwischen.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat unterdessen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wegen ihrer Haltung zur PID widersprochen. Die Ministerin hatte gesagt, es bestehe kein Anlass zu einer gesetzlichen Regelung. Dagegen erklärte ZdK-Präsident Alois Glück, es handele sich um eine zentrale ethische Frage, die für viele Abgeordnete eine Gewissensentscheidung darstelle. „Sie darf nicht an Koalitionsrücksichten scheitern.“ Glück forderte bei einer Abstimmung über ein mögliches PID-Gesetz den Fraktionszwang im Bundestag aufzuheben.
Stichwort Präimplantationsdiagnostik
Die PID ist eine vorgeburtliche Untersuchungsmethode. Dabei werden im Rahmen der Reagenzglas-Befruchtung (In-vitro-Fertilisation) befruchtete Eizellen außerhalb des Mutterleibes auf genetische Fehler untersucht und geschädigte Embryonen vernichtet. Das erste in vitro gezeugte Kind, das einer solchen Diagnose unterzogen wurde, kam 1990 in den USA zur Welt. In den Mitgliedstaaten der EU ist die Rechtslage sehr unterschiedlich; in Deutschland ist PID bisher nach gängiger Rechtsinterpretation verboten. Kritiker befürchten, dass PID zu einer neuen Form der Eugenik (Auswahl aufgrund der Erbgesundheit) und zu einer sinkenden Bereitschaft der Gesellschaft führen werde, behinderte Kinder zu akzeptieren. (kna/pil)