Donnerstag, 04. November 2010
Gemeinsam den Aufbruch schaffen

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Alois Glück (links) und Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Foto: kathma
Bischöfe und Laien beraten in Bensberg über bundesweiten Dialogprozess.
Kein Zweifel: Die katholische Kirche in Deutschland steckt in einer Vertrauenskrise. Erst die Piusbrüder, dann der Missbrauchsskandal und der Fall Mixa. Doch jetzt wollen Bischöfe und Laien Anlauf nehmen, um die Krise in einen neuen Aufbruch umzumünzen.
Zu einer wegweisenden Konferenz treffen sich in diesen Tagen Bischöfe und Vertreter des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) in Bensberg. In der Thomas-Morus-Akademie wollen jeweils 20 Vertreter beider Seiten darüber beraten, wie ein bundesweiter Dialogprozess in Gang gesetzt werden kann und welche Themen auf die Tagesordnung kommen.
Ein schwieriger Balance-Akt mit Konfliktpotenzial: Bei der Analyse allerdings gibt es kaum Differenzen. Der Missbrauchsskandal habe den Vertrauensschwund nur noch beschleunigt; die Krise gehe viel tiefer: Diese Problembeschreibung von ZdK-Präsident Alois Glück findet auch bei den Bischöfen Zustimmung. Glück beklagte zuletzt mehrfach eine weitreichende Resignation unter Katholiken. Es sei jetzt dringend notwendig, Vertrauen zurückzugewinnen.
Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat schon bei der Herbstvollversammlung der Bischöfe im September in Fulda selbstkritisch Ursachen für die Krise benannt: eine große Distanz zwischen den Lebenswelten von Klerikern und Laien; eine zu starke Stilisierung des Priesterbildes; ein nicht angemessener Umgang mit menschlichem Scheitern. Es sei denkbar, dass die Bischöfe „zu sehr als Wissende und Lehrende und zu wenig als Lernende auftreten“, so der Freiburger Erzbischof.
Klar ist, dass der Missbrauchsskandal eine Reihe von Themen nach oben gespült hat, die im Kirchenvolk schon lange virulent sind: etwa „bohrende Zweifel“ an der Sexuallehre der Kirche, so Zollitsch. Auch der Pflichtzölibat oder Positionen in der Ökumene würden massiv in Frage gestellt. Glück benennt auch den Umgang mit Macht in der Kirche und die Rolle der Frauen.
Spannend wird, wie weit diese heißen Eisen Thema des Dialogprozesses werden. Ein Teil der Bischöfe ist nämlich nicht bereit, zentrale Positionen zur Debatte zu stellen. Zollitsch seinerseits warnt davor, „kurzsichtig nur auf zwei oder drei in Deutschland ständig diskutierte Themen“ zu schielen. Für ihn sei die Weitergabe des Glaubens das zentrale Thema. Und er fordert – wohl auch mit Blick auf Rom – einen „realistischen Blick für das bei uns Machbare“.
Auch Kardinal Karl Lehmann hat Spielräume benannt: „Da sind erstens Fragen, die man einfach klären kann und muss. Ich denke an den Diakonat der Frau“, sagte er kürzlich im KNA-Interview. Denkbar sind nach Einschätzung des Mainzer Bischofs auch Reformen der kirchlichen Sexuallehre: Schon länger stellten die Bischöfe Überlegungen zur Enzyklika „Humanae vitae“ und zu Empfängnisverhütung an. „Das geht aber nur, wenn man dies in einem größeren Kontext des Umgangs mit menschlicher Sexualität ansetzt.“ Darüber hinaus gebe es „drittens Dinge, die wir nicht alleine lösen können. Wo wir das Gespräch mit Rom brauchen“. Etwa die Zulassung von Männern zum Priesteramt, die sich in Beruf und Ehe bewährt haben. Oder die Stellung geschiedener Wiederverheirateter sowie eine Zulassung nichtkatholischer Christen zur Eucharistie.
Spannend wird auch, wie der bundesweite Dialogprozess organisiert wird. Schwierig wird sein, jetzt schon existierende unterschiedliche Foren auf Bundesebene zusammenzubinden. Sowohl Zollitsch als auch Glück haben ausgeschlossen, dass es zu einer neuen Synode nach dem Vorbild der Würzburger (1971-1975) kommen wird. Schnelle Ergebnisse sind gefragt. Beim Zentralkomitee hat man offenbar den Katholikentag 2012 in Mannheim als wichtigen Zielpunkt im Auge. Er steht unter dem Leitwort „Einen neuen Aufbruch wagen“.