Mittwoch, 27. November 2013
Gedächtnisort von internationaler Bedeutung

Der Speyer Dom birgt nicht nur Herrschergräber, sondern auch Ruhestätten von Speyerer Bischöfen. Hier das Grabmal des früheren Bischofs Gerhard von Ehrenberg (1336 bis 1363). Bild: "der pilger"
Wissenschaftliches Forum Kaiserdom beschäftigt sich mit den Herrscher- und Bischofsgräbern im Dom
„Der Speyerer Dom mit seinen Herrscher- und Bischofsgräbern als Gedächtnisort für die Reichs- und Diözesangeschichte“. Unter diesem etwas sperrigen Titel stand ein spannendes Referat im Rahmen des „Wissenschaftlichen Forums Kaiserdom“ im Vortragssaal der Volksbank Kur- und Rheinpfalz in Speyer. Professor Dr. Bernd Päffgen (München) rückte die Bedeutung der romanischen Kathedrale für das nationale, aber auch internationale Geschichtsbewusstsein in den Fokus. An der Veranstaltung des Dombauvereins nahmen rund 100 Interessierte teil.
Warum funktioniert ausgerechnet der Speyerer Dom als solcher Geschichtsort und andere Kirchen nicht, fragte der Historiker und Archäologe gleich zu Beginn seiner Ausführungen und erinnerte an zahlreiche prominente Dom-Gäste der vergangenen Jahrzehnte wie die Staats- und Regierungschefs Michail Gorbatschow, George Bush, Margret Thatcher oder auch Papst Johannes Paul II. Als einen Grund nannte Päffken „die wahrhaft imperiale Architektur“ der größten romanischen Kathedrale Europas, die nicht zuletzt durch ihre Monumentalität beeindrucke.
Hauptthema war jedoch die Funktion des Doms als Grablege salischer und staufischer Herrscher des Mittelalters.
Bis zur Brandkatastrophe von 1689, so der Dom-Experte, sei der Zustand der Grablege weitgehend ungestört gewesen. Nachdem die zum Großteil zerstörte Kathedrale um 1720 behelfsmäßig wiederhergestellt worden war, habe König Ludwig I. von Bayern (1825-1848) den Dom als „deutsches Nationaldenkmal“ und als „Gedächtnisort“ inszeniert, um die eigene Herrschaft in der Pfalz zu legitimieren. Durch die Errichtung des Westwerks und die Ausmalung durch Schraudolph habe das 19. Jahrhundert seine Vorstellung von Mittelalter ausgelebt. Bei der Restaurierung 1957 bis 1961 wurde das Dominnere dann wieder „vom 19. Jahrhundert befreit“, so Päffken.
Der Münchener Extra-Ordinarius für Vor- und Frühgeschichte gab zu bedenken, dass die Grablege, wie wir sie heute kennen, eine „wilhelminische Kaisergruft“ sei, 1902 angelegt und damit ein „Gedenkort für das Mittelalter aus der nationalen Perspektive des 20. Jahrhunderts“. Päffgen verwies auf die große Aufmerksamkeit, die die Ausgrabungen im Königschor in den Jahren 1900 bis 1902 in ganz Deutschland erregten. Die Öffnung des Grabes von Kaiser Konrad II. am 23. August 1900 sei damals eine „Sensation“ gewesen. Insgesamt wurden 17 Gräber freigelegt. Ein weiteres Grab – die letzte Ruhestätte des 1027 noch im Dom-Vorgängerbau bestatteten Bischofs Walther von Speyer – wurde 1960 entdeckt.
Durch die Kombination von historischen Quellen und archäologischen Erkenntnissen zur Bauentwicklung des Doms ergaben sich interessante Einblicke in die Entstehung der Grablege, die Päffgen zudem mit Hilfe von Computersimulationen verdeutlichte. Die erste Phase bis 1125 war durch die Bestattungen der salischen Kaiser geprägt, über deren Gräbern ein Monument errichtet wurde – ein auffälliger Unterschied zur heutigen Situation. Da Heinrich V. ohne Nachkommen starb, kam es durch die Wahl des Sachsenherzogs Lothar, der nach seinem Tod 1137 in Königslutter beigesetzt wurde, zu einem Bruch in der Speyerer Tradition. Erst Kaiserin Beatrix und deren Tochter Agnes wurden in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wieder in Speyer bestattet. Auch für Friedrich Barbarossa war Speyer als Begräbnisort vorgesehen – doch der Kaiser ertrank 1190 während des zweiten Kreuzzuges.
Nach Barbarossas Sohn Philipp von Schwaben, 1213 im Dom beigesetzt, kam es wieder zu einer Unterbrechung. Als letzte Bestattungen mittelalterlicher Herrscher folgten Rudolf von Habsburg (1291) sowie die Könige Adolf von Nassau und Rudolf von Österreich, die 1298 beziehungsweise 1308 starben. Daneben fanden auch eine ganze Reihe von Speyerer Bischöfen in der Kathedrale ihre letzte Ruhestätte – teilweise in einer „Bischofsreihe“ in direkter Nähe zu den Herrschern in der Kaisergruft, teilweise aber auch in Dom-Kapellen.
Anhand von Fotos der Grabbeilagen, die von der Wissenschaft akribisch untersucht wurden, erläuterte Päffgen das Selbstverständnis der Kaiser, Könige und Bischöfe. So wurden etwa im Grab Heinrichs V. die Originalsporen des Salierherrschers gefunden. „Das Ideal des Berittenen wurde offenbar mit ins Jenseits genommen“, so der Referent unter Hinweis auf die ritterliche Ethik des Mittelalters.
An den Vortrag schloss sich eine rege Diskussion an, die sich insbesondere um die Zuordnung der Bischofsgräber drehte. Denn während die Herrscher aufgrund der Grabbeigaben eindeutig zu identifizieren sind, ist dies bei den Bischofsgräbern weitaus schwieriger, wie Päffgen betonte. (Dr. Thomas Fandel)
Link zur Rundumbegehung der Kaisergruft im Speyerer Dom