Redaktion der pilger

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Befruchtete Eizelle genießt Schutz

Freut sich über das wegweisende Urteil des Europäischen Gerichtshofes, der Tübinger Ethiker Dietmar Mieth. Foto: KNA

Europäischer Gerichtshof lehnt Patentierbarkeit embryonaler Stammzellen ab

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat Patenten auf menschliche embryonale Stammzellen eine eindeutige Absage erteilt. Die Richter folgten mit ihrem Urteil vom 18. Oktober dem Votum ihres Generalanwalts Yves Bot. Dieser hatte gefordert, alle Zellen, die sich zu einem vollständigen Menschen entwickeln können, von der Patentierung auszuschließen. Der EuGH bestätigte das: Jede befruchtete Eizelle müsse im Sinne des EU-Rechts als menschlicher Embryo angesehen werden.

Verfahren, bei denen ein Embryo zerstört werde, seien nicht patentierbar, heißt es in dem Urteil. Es bezieht sich zwar auf einen Patentstreit um den Bonner Wissenschaftler Oliver Brüstle, aber es hat grundsätzliche Bedeutung. Letztlich wird davon womöglich auch die EU-Forschungsförderung infrage gestellt. Die Verhandlungen über deren künftige Regeln beginnen bald.

In dem vom EuGH entschiedenen Streit ging es um ein Patent, das Brüstle bereits 1997 beantragt hatte. Er wollte den Rechtsschutz für die Verwendung von aus embryonalen Stammzellen gewonnenen Körperzellen zu therapeutischen Zwecken erreichen. Die Umweltorganisation Greenpeace klagte. Das Bundespatentgericht erklärte Brüstles Patent daraufhin für nichtig. Der Bundesgerichtshof (BGH) beschloss im November 2009, die Entscheidung über eine Patentierung menschlicher embryonaler Stammzellen dem EuGH zu überlassen. Dessen Entscheidung vom 20. Oktober bindet wiederum die deutsche Justiz: Der Bundesgerichtshof muss jetzt sein Urteil so sprechen, dass es dem Luxemburger Vorgaben folgt.

Die Richter des EuGH wurden grundsätzlicher, als es unbedingt nötig gewesen wäre. Ihre Ausführungen gehen auf Grundsatzfragen ein, die immer wieder die Politik beschäftigen, so in Deutschland zuletzt bei der Präimplantationsdiagnostik (PID). Sie bekräftigten: Nach EU-Recht gilt die Menschenwürde nicht nur für das geborene Kind, sondern auch für den menschlichen Körper vom ersten Stadium seiner Entwicklung an, also auch für die befruchtete Eizelle in der Petrischale.

Während Greenpeace oder Unions-Europaabgeordnete wie der Bioethikexperte Peter Liese (CDU) das Urteil begrüßten, wird es in der Welt der Wissenschaft auf Widerspruch stoßen. Schon im Vorfeld hatten europäische Stammzellforscher Kritik an der Position des Generalanwalts geübt: Embryonale Stammzellen seien „Zell-

linien und keine Embryonen“. Sie stammten von überzähligen, in vitro befruchteten Eizellen ab, die nach einer Fruchtbarkeitsbehandlung gespendet wurden. Gerade für innovative Unternehmen sei der Patentschutz nötig, wenn sie in Europa neue Medikamente entwickeln sollten.

Die eindeutige Position des EuGH könnte Auswirkungen auf die EU-Forschungsförderung haben. Derzeit regelt ein nur an der Fassade sauberer Kompromiss die EU-Förderung der Stammzellforschung: Es können alle Projekte gefördert werden – mit Ausnahme solcher, bei denen menschliche embryonale Stammzellen gewonnen werden. Den Akt der Zerstörung von Embryonen müssen sich die Forscher aus anderen Mitteln, etwa aus nationalen Haushalten, finanzieren lassen. Alles davor und alles danach kann die EU mitfinanzieren.

Vor allem Großbritannien, Schweden oder Belgien, wo sehr liberale Regeln gelten, hatten 2006 auf diese Liberalisierung gedrängt, nachdem bis En­de 2003 ein Moratorium gegolten hatte. Inzwischen können in der EU Projekte gefördert werden, die in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz verboten sind. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) stimmte 2006 dieser Regelung zu – obwohl ihr Nein und das anderer EU-Staaten – wohl ausgereicht hätte, um die liberale Regelung zu verhindern.

Die neuen, strengen Vorgaben des EuGH könnten dazu führen, die Spielregeln für die EU-Forschungsförderung in den Jahren nach 2013 neu zu bestimmen. Entsprechende Forderungen kamen am 18. Oktober schon vom CDU-Bioethik-Experten und Europaabgeordneten Peter Liese. Es ist abzusehen, dass ethische Grundsatzfragen bei der Diskussion über die EU-Forschungsförderung erneut eine entscheidende Rolle spielen werden. Diesmal aber sind es nicht ethische Überzeugungen der Beteiligten, sondern der EuGH, der die Schranken weist.



 

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