Redaktion der pilger

Donnerstag, 07. April 2016

Die Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes

Barmherzig wie der Vater. Logo zum Heiligen Jahr der Barmherzigkeit. Foto: dbk

Heiliges Jahr knüpft an jüdische Traditionen an

Das Jahr der Barmherzigkeit erinnert als Heiliges Jahr an das biblische Erlassjahr, das alle 50 Jahre zum Schuldenerlass und Besitzausgleich führte. Im nachbiblischen und talmudischen Judentum wird das Erlassjahr gedeutet als Zeit der Buße, Sündenvergebung und fortschreitende Erlösung. Die Botschaft von der Barmherzigkeit Gottes und dem barmherzigen Verhalten des Menschen in der Nachfolge Gottes ist im Alten Testament und im Judentum grundgelegt.

Im deutschen Wort „Barmherzigkeit“ kommt das Symbol des Herzens als die innerste Mitte des Menschen zum Ausdruck, wo Verstand, Gefühl und Wille zusammenkommen. Das Herz gilt in der Bibel und in der jüdisch-christlichen Tradition als der Ort der Begegnung Gottes mit dem Menschen. Im hebräischen Begriff für dieses Verhalten „racham“ erscheint nicht das Herz. Deshalb ist es zu übersetzen mit „Erbarmen“. Die Ableitung „rächäm“ heißt „Mutterschoß“. Dieser Ort der mütterlichen Fürsorge ist wie das Herz ein Symbol für Gottes liebevolle Zuneigung.

„Racham“ (Erbarmen) wird häufig genannt mit „chesed“ (Gnade, Huld). Diese Gotteserfahrung ist enthalten im Gottesnamen JAHWE: „An jedem Ort, an dem ich JAHWE genannt werde – Maß des Erbarmens. JAHWE ist ein gnädiger und barmherziger Gott.“ Der Mensch als Gottes Ebenbild soll auf Gottes Wegen gehen und Gott anhangen. Barmherzigkeit Gottes und des Menschen sollen einander entsprechen: „Gott sitzt täglich auf seinem Richterstuhl, um die Welt zu richten. Wenn er sieht, dass die Welt schuldig ist, steht er auf und setzt sich auf den Stuhl des Erbarmens. Wie Gott gnädig und barmherzig ist, sei auch du gnädig und barmherzig.“

Der Inhalt der Barmherzigkeit Gottes und des Menschen als Antwort auf Gottes Verhalten findet im talmudischen Schrifttum reichhaltigen Ausdruck in leicht verständlichen, bildhaften Texten, welche die Botschaft der Bibel veranschaulichen:

Was bedeutet es, was geschrieben (5 Mos 13,5): „Hinter eurem Gott sollt ihr nachgehen!“ Es bedeutet: Nach seinen Maßstäben sollt ihr gehen!

Gott bekleidet Nackte: „Gott machte Adam und Eva Röcke und bekleidete sie.“ So sollst auch du Nackte bekleiden!

Gott besucht Kranke: „Gott erschien Abraham bei den Eichen von Mamre.“ (nach der Beschneidung) So sollst auch du Kranke besuchen!

Gott tröstet Trauernde: „Nach dem Tod Abrahams segnete Gott seinen Sohn Isaak.“ So sollst auch du Trauernde trösten!

Gott begräbt Tote: „Er begrub Mose im Tal.“ So sollst auch du Tote begraben!

Gottes Maß (hebr mida) oder Eigenschaft erweist sich im Herabneigen zu den Menschen. Gottes Maß ist anders als das Maß von Fleisch und Blut. In zahlreichen fantasievollen Texten kommt dies zum Ausdruck. Maß von Fleisch und Blut: Das Hohe sieht auf das Hohe und nicht auf das Niedrige. Aber Gott ist hoch und sieht auf das Niedrige: „Hocherhaben ist der Herr, er sieht auf das Niedrige.“

Für christliche Ohren ungewohnt wird Gott im Talmud auch Bescheidenheit („anava“) zugeschrieben:

„An jedem Ort, wo du die Größe Gottes findest, dort findest du Gottes Bescheidenheit.“ Israels Gotteserfahrung in der Wüste vom Dornstrauch bis zum Sinai zeugt für die demütige Anteilnahme Gottes.

„Gott rief zu Mose inmitten des Dornstrauchs.“ Gott sprach zu Mose: Fühlst du nicht, dass ich mich in die Bedrängnis hinablasse, so wie Israel in Not ist? Du sollst erkennen: Von dem Ort aus, von dem ich zu dir spreche – den Dornen – nehme ich teil an ihrer Not. „In jeder Bedrängnis umgebe ich sie.“

Gott verlässt sein Volk auch nicht im Exil und vergibt seine Schuld. „Ich bin der Ich-bin-da!“ – Gott sprach zu Mose: Geh und sage zu den Israeliten: Ich bin mit euch in dieser Knechtschaft und werde mit euch sein in der Knechtschaft der Weltreiche. Der Ich-bin-da sendet mich zu euch.

Gott leidet gefühlvoll mit seinem Volk: „Meine Taube, meine Vollkommene!“ (Hl 5,2) Wenn bei Zwillingen einer Angst in seinem Kopf hat, fühlt es der andere. So sagt Gott: „Ich bin bei ihm in seiner Not!“ – „In jeder Bedrängnis umgebe ich ihn!“ Gott sprach zu Mose: Fühlst du nicht, dass ich wohne in der Bedrängnis, so wie Israel in der Bedrängnis lebt? Du siehst den Ort, von dem aus ich zu dir spreche – mitten aus den Dornen! Ich nehme teil an ihren Bedrängnissen!

Das Mitleiden Gottes geht sogar so weit, dass die bekannten Verse des Propheten Jesaja: „Tröstet, tröstet mein Volk!“ (Jes 40) im Talmud so gedeutet werden: Tröstet mich, tröstet mich, mein Volk!

Auch die Gestalt des Messias erscheint in der Legende bescheiden und barmherzig. Rabbi Jehoschua Ben Levi traf Elija am Eingang der Grabeshöhle des Schimon Bar Jochai. Er fragte Elija: Wann kommt der Messias? Elija antwortete: Geh und frag ihn selbst! Er fragte weiter: Wo wohnt der Messias? Elija antwortete: Am Stadttor von Rom. Und welches ist sein Zeichen? fragte Jehoschua. Elija antwortete: Er sitzt zwischen den Armen und Leidenden, er verbindet die Kranken und Verletzten und sagt: Wenn ich zur Erlösung aufgefordert werde, zögere ich solange, bis ich alle Verletzten verbunden habe. Als Jehoschua den Messias am Stadttor traf, grüßte er ihn und fragte: Wann wird mein Herr kommen, um uns zu erlösen? Er antwortete: Heute! Nach einiger Zeit traf Jehoschua den Elija und sagte zu ihm: Der Messias hat mich belogen! Er sagte, er komme heute – und ist nicht gekommen! Da sprach Elija: So hat er zu dir gesagt: „Heute, wenn ihr meine Stimme hört!“ (Psalm 95,7)

Barmherzigkeit bewährt sich im alltäglichen Leben. Jeder einzelne Mensch erfährt seine Würde durch mitmenschliches barmherziges Verhalten. Dein Haus sei weit geöffnet und die Armen seien Söhne deines Hauses. Achte auf deine Haustür, dass sie nicht geschlossen sei zur Stunde der Mahlzeit. Warum wurde der Mensch einzigartig auf der Welt geschaffen? – Um dich zu lehren: Wer eine einzige Seele verlorengehen lässt, lässt eine ganze Welt verlorengehen. Wer eine einzige Seele rettet, rettet eine ganze Welt. (red)

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