Donnerstag, 10. Oktober 2024
Liebe zahlt keine Miete

Fordernde Aufgabe: Eine Frau pflegt ihren an Demenz erkrankten Mann zu Hause. (Foto: imago/Martin Wagner)
Pflegende Angehörige sollen mehr unterstützt und entlastet werden
Sozialverbände fordern, dass die Politik ihren vielen Versprechungen in der Pflege Taten folgen lässt. Wer Angehörige zu Hause pflegt, soll mehr Unterstützung bekommen. „Pflegende Angehörige müssen endlich eine Lohnersatzleistung bekommen, denn 84 Prozent der Pflege wird zu Hause geleistet“, erklärte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK. Oft rund um die Uhr kümmerten sich Angehörige nicht nur um die Gesundheit der Pflegebedürftigen, sondern auch um bürokratische Hürden und um alles, was im Haushalt zu tun ist: „Um all diese Aufgaben überhaupt stemmen zu können, müssen viele im Job kürzertreten oder diesen ganz aufgeben.“
Pflege sei „kein Hobby, kein reiner Zeitvertreib“, fügte sie hinzu. Doch der Politik sei das offenbar nicht wichtig genug: „Das muss sich dringend ändern, denn reine Nächstenliebe kann keine Miete zahlen oder den Kühlschrank füllen.“
Mehr Entlastung fordert auch der Bundesverband pflegender Angehöriger. Die über acht Millionen Angehörigen, die sich bundesweit um Pflegebedürftige kümmerten, müssten als gleichberechtigte Partner wahrgenommen und unterstützt werden, forderte das Vorstandsmitglied der Selbsthilfeorganisation „wir pflegen“, Edeltraut Hütte-Schmitz.
„Auf dem Zahnfleisch“
Zurzeit gebe es nur für 2,3 Prozent der pflegebedürftigen Menschen, die zu Hause gepflegt werden, einen Tagespflegeplatz, erläuterte sie weiter. Ambulante Dienste müssten Anfragen wegen Personalmangels oft ablehnen. Kurzzeitpflegeplätze seien schwer zu finden, vorhandene Angebote oft unerschwinglich.
Pflegebedürftige Menschen, die keinen Tagespflegeplatz bekommen, aber alternativ viermal pro Tag Unterstützung durch einen ambulanten Dienst finden, müssten dafür oft Eigenanteile von bis zu 4000 Euro aufbringen, während ihr Leistungsanspruch auf Tagespflege ungenutzt verfalle, kritisierte Hütte-Schmitz weiter. Eine Deckelung der Eigenanteile wie in der vollstationären Pflege gebe es in der häuslichen Pflege nicht.
Grundsätzlich forderte die Expertin eine gleichwertige Unterstützung der Pflege zu Hause: „Derzeit gehen 30 Prozent der Ausgaben der Pflegeversicherung in die stationäre Pflege, obwohl in Deutschland nur 16 Prozent der pflegebedürftigen Menschen dort versorgt werden.“
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf, den vielen Versprechungen endlich Taten folgen zu lassen. „Die Angehörigen gehen auf dem Zahnfleisch“, sagte Vorstand Eugen Brysch. „Ein Rechtsanspruch auf Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflege muss kommen. Bei Berufstätigen braucht es endlich Ersatzzeiten wie beim Elterngeld.“(kna)