Donnerstag, 04. November 2010
Papst weiht Sagrada Familia in Barcelona

Am 7. November weiht Papst Benedikt in Barcelona das bekannteste Bauwerk des katalonischen Architekten Antoni Gaudi – die Sagrada Familia. Foto: Ralf Siemieniec/fotofolia
Das unvollendete Gotteshaus ist das Hauptwerk des spanischen Architekten Antoni Gaudi.
Sein Hauptwerk ist bis heute unvollendet – und es dürfte nach jüngsten Schätzungen noch weitere 20 Jahre bis zur Vollendung dauern. Doch am 7. November – rund 130 Jahre nach der Grundsteinlegung – soll die „Sagrada Familia“ in Barcelona zumindest geweiht werden, und zwar von Papst Benedikt XVI., der an diesem Wochenende Spanien besucht („der pilger“ berichtete bereits). Dieser Basilika, bereits heute das Wahrzeichen der katalanischen Metropole, hat der Architekt Antoni Gaudi (1852 bis 1926) mehr als sein halbes Leben gewidmet. Offiziell heißt das Gotteshaus „Temple Expiatori de la Sagrada Familia“, zu deutsch „Sühnekirche von der Heiligen Familie“. Die künstlerische „Weihe“ erhielt das einzigartige Sakralbauwerk 2005 mit der Anerkennung als Weltkulturerbe durch die UNESCO. „Gaudis gespenstische und herrliche Bauwerke dokumentieren (...) den Ehrgeiz eines Mannes, als einzelner zu leisten, was nur Generationen zu leisten vermögen: eine ganze Kultur zu erschaffen“, fasste die Schriftstellerin Susan Sonntag das Schaffen des Künstlers zusammen.
Gaudi kam am 25. Juni 1852 als fünftes und letztes Kind eines Kupferschmieds in Reus bei Taragona zur Welt. Schon mit 15 Jahren veröffentlichte er Zeichnungen und zeigte Begeisterung für das idealisierte Mittelalter, wie es die Romantik entwarf. Zwei Jahre später zog er zum Architekturstudium nach Barcelona. Der Direktor seiner dortigen Ausbildungsstätte sollte nicht der einzige bleiben, der bei Gaudi die sprichwörtliche Nähe von Genie und Wahnsinn konstatierte.
Bei allem Leben als Künstler blieb Gaudi stets seiner Herkunft aus dem Volk treu und sympathisierte mit dem utopischen Sozialismus. Niederschlag fand dies in seinem Entwurf zu einer Arbeitersiedlung. Später suchte er aus dem Christentum heraus Antworten auf die soziale Frage. Öffentliche Anerkennung blieb ihm versagt. Dafür säumten Mäzene seinen Lebensweg und überhäuften ihn mit Aufträgen. So entstanden jene kühnen Gebäude wie die Casa Vicens in maurischem Stil, das Herrenhaus El Capricho oder der Palacio Güell. Die einzigartigen Pavillons am Eingang des Park Güell sind noch heute „Pilgerstätten“ für Architekturstudenten.
Die Krönung seines Lebenswerkes sollte die Sagrada Familia werden. Vom Park Güell, hoch über Barcelona gelegen, sieht sie wie eine überdimensionale Sandburg aus. Sollte sie einmal vollendet sein, wird ein Mittelturm über dem Hauptaltar das dann 18-türmige Bauwerk krönen. Mit 170 Metern wird er die bereits vorhandenen Glockentürme um 70 Meter überragen – und als der höchste Kirchturm der Welt gelten.
Schon mit 31 Jahren hatte Gaudi die Bauleitung übernommen. Die Sagrada Familia sollte als Sühnekirche entstehen und nur durch Spenden finanziert werden – die Idee dazu stammte bereits von Gaudis Vorgänger als Bauleiter. Antoni Gaudi ging schließlich selbst mit dem Hut durch die Straßen. Wachsende Kosten zögerten die Fertigstellung immer weiter hinaus. Entscheidender aber war, dass Gaudi immer neue Ideen entwickelte. Bis heute wird der Bau allein durch Spenden, Stiftungen und Eintrittsgelder finanziert.
Im Alter widmete sich der Architekt in mystischer Einsamkeit ganz „seiner“ Kathedrale. Als er am 7. Juni 1926 unweit der Baustelle von einer Straßenbahn erfasst wurde, blieb er zunächst unerkannt. In seinen ausgebeulten Taschen fand man lediglich eine Handvoll Rosinen und Erdnüsse sowie eine zerknitterte Ausgabe des Evangeliums. Einen Tag später identifizierte ein Geistlicher den Sterbenden im Armenhospital. Zur Beisetzung in der Krypta der Sagrada Familia erschien dann die ganze Stadt.
Im Mittelpunkt der Konzeption des Gotteshauses steht die Kirche als mystischer Leib Christi. Auf ihn soll der – noch zu bauende – Mittelturm über dem Hauptaltar hinweisen, während die jeweils vier Türme an den drei Fassaden die Apostel stellvertretend für das Gottesvolk symbolisieren. Die Fassaden selbst widmen sich dem Wirken Jesu: Leben, Tod und Auferstehung. Die Kirche ein Spiegel von Gaudis Glauben: „Es handelt sich um ein Bauwerk, das in den Händen Gottes und im Willen des Volkes liegt“, hatte der Künstler selbst immer wieder betont. Im Jahr 2000 wurde offiziell ein Seligsprechungsverfahren für Antoni Gaudi eröffnet.
Hinweis: Das Bayrische Fernsehen überträgt die Weihe der Kirche Sagrada Familia in Barcelona durch Papst Benedikt XVI. am Sonntag, 7. November, zwischen 10 und 12.30 Uhr. Auch der Sender K-TV überträgt die Weihezeremonie ab 9.30 Uhr. K-TV ist europaweit über Satellit Astra zu empfangen.