Donnerstag, 18. November 2010
Lebendige Porträts der „Ewigen Stadt“

Giovanni Battista Piranesi (1720 bis 1778), Piazza e Basilica di San Pietro in Vaticano, Radierung um 1773/1778. Foto: Kunsthalle Mannheim
Ausstellung in der Kunsthalle Mannheim: Radierungen „Vedute di Roma“ von Giovanni Battista Piranesi
Nahezu unwiderstehlich und mächtig ist die Anziehungskraft, die Rom, die „Ewige Stadt“, ausübt, schon seit der Antike und auch durch alle Zeiten von Niedergang und Verfall hindurch; selbst die Ruinen, sogar noch der Schutt, bannen die Menschen. Es ist das Große und Erhabene, das Vollkommene und Schöne, das „Rom“ ahnen lässt – und damit dieses eigenartige Sehnen auslöst, das vor allem Kunstsinnige, Bildungshungrige und zahllose Künstler anzog (und nach wie vor anzieht).
Wie kein anderer hat der Giovanni Battista Piranesi (1720 bis 1778) das Bild Roms bestimmt und so diese Anziehungskraft noch gestärkt. In der Nähe von Venedig als Sohn eines Steinmetz geboren, wurde er zunächst Architekt, später Bühnenbildner und Kupferstecher; in die Welt der Antike drang er ein, als er deren Schriften kennen lernte. Als Zeichner im Dienst des venezianischen Gesandten am päpstlichen Hof kam er nach Rom, lernte das Handwerk der Radierkunst – und legte damit den Grund seines künstlerischen Schaffens: sein immens großes graphisches Werk umfasst über tausend Radierungen, in denen er das antike Rom (das, was davon noch da ist) und das Bild der Stadt zu seiner Zeit festhielt; vorgesetzt hatte er sich, das verfallende Rom „durch den Druck zu bewahren“, wie er 1756 schrieb. Er leistete Pionierarbeit durch seine wirklichkeitsgetreuen Stadtansichten, aber auch mit seinen kunsttheoretischen und archäologischen Forschungen, die er in Zeichnungen und Grundrissen festhielt.
Vor allem inszenierte, belebte Piranesi die Antike, schuf poetische „Porträts“ der Bauten und der Stadt, in eigenartiger Mischung von Realität und Phantasie; so beflügelte er das Sehnen der Rombesucher im 18. und 19. Jahrhundert; seine „Vedute di Roma“, die „Ansichten von Rom“, übten enormen Einfluss auf die Kunst des Klassizismus aus, und seine „Carceri d'Invenzione“, die phantastischen Zeichnungen der verwirrenden unterirdischen Kerker-Labyrinthe wurden zum Bild für die Verlorenheit und die Ausweglosigkeit des Schicksals, Metaphern, die nicht nur für die Romantiker von Bedeutung waren. Zu alledem aber war es mit den Radierungen ungemein leicht, die Erinnerung an „Rom“ und die Glücksmomente dort mit „nach Hause“ zu nehmen. So erwarben die zahlreichen Rombesucher seine Blätter und verbreiteten sie in ganz Europa.
Viele Museen haben daher Radierungen von Piranesi in ihren Sammlungen, so auch die Kunsthalle in Mannheim. Die Radierungen der „Vedute di Roma“ aus ihrem Bestand sind jetzt, noch bis zum 5. Dezember, in einer kleinen, aber exquisiten Ausstellung unter dem Titel „Kennen Sie Rom? Piranesi inszeniert die Antike“ in der Mannheimer Kunsthalle zu sehen. Ins Auge fallen zunächst die bekanntesten Bauwerke, die Piranesi in seinen Blättern festgehalten hat, so den Petersplatz mit dem Petersdom und den ausladenden Kolonaden, das Pantheon, das Colosseum; besonders faszinierend ist die Radierung mit dem weiten Blick auf das Forum Romanum, vom Kapitol her, wie er sich noch heute den Rom-Besuchern darbietet. Eindrucksvoll sind auch die Blätter mit den weniger bekannten Ruinen antiker Bauwerke.
Wer den Ausstellungssaal betritt, steht zunächst vor einem großen Stadtplan des heutigen Rom, auf dem die Bauwerke verzeichnet sind; so ist es möglich, sich innerlich auf eine Wanderung durch die „Ewige Stadt“ zu begeben.
Hinweise: Die Ausstellung „Kennen Sie Rom? Piranesi inszeniert die Antike“ ist noch bis zum 5. Dezember in der Kunsthalle Mannheim (nahe Wasserturm), zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr; Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro. Mittwoch von 18 bis 20 Uhr freier Eintritt. Auskunft: Kunsthalle Mannheim, Friedrichsplatz 4, 68165 Mannheim, Telefon 0621/293- 6430 oder 293-6452, www.kunsthalle-mannheim.de