Freitag, 21. Mai 2021
„Quelle der Zwietracht“

Zwei Männer, die sich verstehen: Joe Biden und Papst Franziskus (hier bei einer Audienz im April 2016). (Foto: imago/Independent Photo Agency Int.)
Der Vatikan bremst einen Plan konservativer US-Bischöfe aus
Kardinal Ladaria hält es für falsch, dass die Bischöfe Joe Biden die Kommunion verweigern wollen. Der Brief des Präfekten der Glaubenskongregation an den Vorsitzenden der US-Bischofskonferenz hat es in sich. Damit dieser nicht in der Schublade von Erzbischof Jose Gomez verschwindet, ging er in Kopie an alle Bischöfe und das Jesuiten-Magazin „America“. Das Schreiben von Kardinal Luis Ladaria traf vor der Frühjahrstagung der US-Bischöfe ein, auf der ein Dokument zur „Würdigkeit des Kommunionempfangs“ beraten werden soll.
Eine Gruppe konservativer Bischöfe versucht auf diesem Weg einen Beschluss herbeizuführen, der US-Präsident Joe Biden, einen Katholiken, wegen seiner Haltung zur Abtreibung von der Kommunion ausschließen soll. „America“ fasst den Inhalt des Schreibens so zusammen: „Übereilt nicht die Debatte über Kommunion, Politiker und Abtreibung.“ Der Kardinal schlug ein Verfahren vor, das darauf angelegt sein müsse, die Einheit der US-Bischöfe untereinander und mit der gesamten katholischen Kirche zu wahren. Die Formulierung einer nationalen Linie könne „angesichts ihres möglicherweise strittigen Charakters den gegenteiligen Effekt haben und zu einer Quelle der Zwietracht und nicht der Einheit innerhalb des Episkopats und der Kirche in den Vereinigten Staaten werden“, so Ladaria.
Irreführender Eindruck
Wenn es gelinge, einen „wirklichen Konsens“ zu entwickeln, müssten die jeweiligen Ortsbischöfe den Dialog mit den katholischen Politikern suchen. Vorher gelte es zu prüfen, ob es sinnvoll sei, Politiker als einzelne Gruppe herauszugreifen oder das Thema des Sakramentenempfangs auf alle Gläubigen zu beziehen. Besonders dürfte die Initiatoren der Abstimmung bei der Frühjahrstagung wurmen, dass der Präfekt der Glaubenskongregation ausdrücklich nicht die Ansicht teilt, Abtreibung falle in eine eigene Kategorie, die besonders drastisches Durchgreifen der Bischöfe erforderlich mache.
„Es wäre irreführend“, schreibt Ladaria, „wenn eine solche Erklärung den Eindruck erweckte, dass Abtreibung und Euthanasie allein die einzigen schwerwiegenden Angelegenheiten der katholischen Moral- und Soziallehre darstellen, die die volle Rechenschaftspflicht seitens der Katholiken erfordern.“ Obwohl Biden-Sympathisanten unter den Bischöfen in der Minderheit sind, ist die Konferenz weit von dem geforderten Konsens entfernt. Nach dem Kirchenrecht fällt die Frage des Sakramentenempfangs in die Zuständigkeit des Ortsbischofs, im Fall von Biden der Erzbischof von Washington, Kardinal Wilton Gregory. Er sieht keinen Grund, Biden die Kommunion zu verweigern. (Thomas Spang)