Mittwoch, 25. August 2021
Grund für ein gutes Leben

Zwei jüdische Buben vor einer Tora-Rolle. Die Tora ist das „Grundgesetz“ der jüdischen Bibel und ein wesentlicher Teil unseres Alten Testamentes. Kern der enthaltenen Weisung Gottes ist sein Wille, dass die Menschen gut leben können. (Foto: eranyardeni / AdobeStock.com)
Gottes Weisung ist eine kostbare Gabe
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ So beginnt das deutsche Grundgesetz. Theologisch gesehen ist diese Würde verankert in der Gottebenbildlichkeit des Menschen.
Wenn menschliche Gemeinschaft gelingen soll, bedarf es gewisser Regeln, an die sich der Einzelne halten muss. Gesetze schaffen die Basis für die Rechtsprechung, die dann auf dieser Grundlage aufbauen kann.
Der Pentateuch, das fünfteilige Buch des Mose, ist im Judentum als „Tora“, als Gesetz Gottes, das Fundament der Heiligen Schrift. Das fünfte Buch enthält einen Rückblick auf die Geschichte des Auszugs aus Ägypten und erinnert an die Gebote, die Jahwe dem Mose am Sinai für sein Volk gegeben hat. In der griechischen und in der lateinischen Bibel heißt es deshalb „Deuteronomium“, „Zweites Gesetz“.
Das Deuteronomium ist ein theologisches Rechtsbuch. In der Beziehung zu Jahwe sind alle Bestimmungen verwurzelt, die das Leben der Gemeinschaft und des Einzelnen regeln. Das Ziel der Gebote ist einfach: Alle sollen gut leben können. Die Gesetze Gottes, die Mose übermittelt hat, wollen bewirken, dass das Volk auf einer gerechten Basis und zufrieden leben kann. „Hört, und ihr werdet leben!“ (Dtn 4,1).
Mose ist stolz auf das Gesetzeswerk, das er auf Gottes Geheiß dem Volk Israel übergeben kann. Davon berichtet der Text der ersten Lesung aus dem vierten Kapitel von Buch Deuteronomium für den heutigen Sonntag.
Mose hält seinem Volk vor Augen: „Welche große Nation besäße Gesetze und Rechtsvorschriften, die so gerecht sind, wie alles in dieser Weisung, die ich euch heute vorlege?“ Mose ist stolz auf dieses Gesetzeswerk, das ausgewogen ist und gut auf die Herausforderungen der damaligen Zeit antwortet.
Auch wir haben ein Grundgesetz, das auf unsere Zeit zugeschnitten ist und das versucht, Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Dass Gesetze ungerecht sein können, wenn Machthaber nur ihr eigenes Wohl im Blick haben, zeigt die Geschichte auch unseres Landes. So haben die Gründerväter und -mütter unserer jetzigen Gesetzgebung die Achtung vor der Würde jedes menschlichen Lebens festgeschrieben; wir haben Meinungs- und Pressefreiheit, wir haben demokratisch gewählte Regierungen und eine unabhängige Justiz – Grundlagen für ein gelingendes Miteinander in unserer Gesellschaft.
Auch Israel verstand das durch Mose übermittelte Gesetz Gottes als Maßnahme zum Schutz und zum Wohl des Volkes. Zum einen zeigte sich in ihm die enge Verbindung zwischen Gott und seinem Volk, zum anderen enthielt es eine Ordnung, die dem Volk guttat. Angesichts der Rechtlosigkeit in der Zeit der Knechtschaft in Ägypten und angesichts vieler Situationen, in denen nur das Recht des Stärkeren galt, war das für das Volk Israel eine herausragende Erfahrung.
Bis auf den heutigen Tag gibt es im Judentum das Fest „Simchat-Tora“, das Fest der Tora-Freude. Es wird im September/Oktober gefeiert, im Anschluss an „Sukkot“, das siebentägige Laubhüttenfest. Sukkot ist ein Erntedankfest und erinnert an die vierzigjährige Wüstenwanderzeit des Volkes zwischen dem Auszug aus Ägypten und dem Einzug in das Gelobte Land. Das sich anschließende Fest Simchat-Tora verdeutlicht: Wir verstehen Gottes Weisung, die er uns auf unserer Wüstenwanderung gegeben hat, nicht als harte Last, sondern als kostbare Gabe.
Das Fest der Tora-Freude ist von Ausgelassenheit und Fröhlichkeit in der Synagoge geprägt. An diesem Tag ist die Lesungsfolge der gesamten Tora über ein Jahr hinweg abgeschlossen. In sieben festlichen Umzügen werden die Tora-Rollen von den Männern um den Vorlesetisch in der Synagoge getragen, begleitet von den Frauen und Kindern. Wenn das Schlusskapitel der Tora gelesen ist, schließt sich gleich wieder der erste Abschnitt an - Gott setzt keinen Schlusspunkt! - So werden die fortlaufenden Tora-Lesungen zu einem Kreislauf, der verdeutlicht, dass Gott nicht aufhört, sein Volk zu begleiten.
Die fünf Bücher Mose, die das Gesetzeswerk der Tora enthalten, gehören auch zur Heiligen Schrift der Christen. Der Pentateuch steht am Anfang unseres Alten Testaments. So gehen wir sozusagen in den Fußstapfen unserer jüdischen Brüder und Schwestern. Und so könnte auch für uns der Aufruf gelten, der so oft an die Israeliten erging: „Prüft, ob ihr auf dem Weg der Gerechtigkeit seid!“ (Regina Mettlach)