Freitag, 22. Oktober 2021
„Hunger ist Mord“

Wildkräuter als Nahrung: Seit zwei Jahren herrscht in Madagaskar eine extreme Dürre. (Foto: Welthungerhilfe)
811 Millionen Menschen haben nicht genug Nahrung
Experten und Hilfswerke warnen: Die Weltgemeinschaft entfernt sich weiter von dem UN-Ziel, bis 2030 den Hunger zu besiegen.
Entwicklungsminister Gerd Müller fand drastische Worte. „Hunger ist Mord, denn wir haben das Wissen und die Technologie, alle Menschen satt zu machen“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. Mehrere Hilfswerke warnten vor einer Hungerkrise vor allem in Afrika. Die Lage sei in mehreren afrikanischen Ländern angespannt, mahnte etwa Misereor in Aachen. „Ernährungskrisen sind in den meisten Fällen von Menschen gemacht“, sagte Geschäftsführer Pirmin Spiegel.
Nach Angaben der Welthungerhilfe und des UN-Welternährungsprogramms sind vor allem Konflikte, aber auch der Klimawandel die größten Hungertreiber. Die Corona-Pandemie habe die Situation zusätzlich verschärft. Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Marlehn Thieme, beklagte bei der Vorstellung des Welthunger-Index 2021 eine „sehr deutliche Steigerung“ des Hungers. Laut Bericht hungern weltweit etwa 811 Millionen Menschen; 41 Millionen leben am Rande einer Hungersnot. Besonders dramatisch ist die Lage in Somalia, Jemen, Afghanistan, Madagaskar und dem Südsudan. Der Welthunger-Index untersucht die Ernährungslage in 128 Ländern. Er sieht deutliche Rückschritte: 47 Länder werden laut Bericht bis 2030 noch nicht einmal ein niedriges Hungerniveau erreichen, 28 davon liegen in Afrika südlich der Sahara.
Corona-Pandemie hat die Ernährungslage verschärft
Die Welt sei bei der Hungerbekämpfung vom Kurs abgekommen und entferne sich immer weiter vom UN-Nachhaltigkeitsziel, den Hunger bis 2030 zu besiegen, beklagte Thieme. „Unsere Befürchtungen im letzten Jahr haben sich leider bestätigt. Hungersnöte sind zurück, und multiple Krisen lassen die Zahl der Hungernden immer weiter steigen.“
Die Corona-Pandemie habe die Ernährungslage in vielen Ländern des Südens noch verschärft. Eine Folge der Pandemie seien deutliche Preissteigerungen, sagte der Vorstand der Welthungerhilfe, Mathias Mogge. Die Ärmsten würden von den Folgen des Klimawandels besonders hart getroffen, obwohl sie am wenigsten dazu beitragen, so Thieme. Die Klimakrise sei eine Frage der Gerechtigkeit. „Daher brauchen wir auf der Klimakonferenz im November verbindliche Ziele für die Reduzierung des CO2-Ausstoßes sowie finanzielle Unterstützung für die Förderung von Klimaresilienz“, sagte Thieme. Entwicklungsminister Müller bekräftigte seine Forderung nach einer Reform der UN-Nahrungsmittelhilfsprogramme und einem UN-Nothilfe- und Krisenfonds von zehn Milliarden Euro. „Die UN und ihre Hilfswerke dürfen nicht dauerhaft Bittsteller sein.“ (kna)