Freitag, 28. Januar 2022
Schauen

Der Triumph des heiligen Thomas von Aquin. Tafelbild von Lippo Memmi (1285 bis 1357) aus der Zeit um 1323. Kirche Santa Caterina, Pisa. (Foto: Santa Caterina, Pisa)
Wie Thomas von Aquin geistliches Leben bestimmt
Zweifellos gehört er zu den bedeutendsten Theologen überhaupt: der Dominikaner Thomas von Aquin (um 1225 bis 1274). Sein Werk „Summe der Theologie“, das bereits zu seiner Zeit als einzigartig galt, bestimmt das theologische Denken und die kirchliche Lehre bis heute. Seine Bedeutung zeigt das Tafelbild „Der Triumph des heiligen Thomas von Aquin“ in der Kirche Santa Caterina in Pisa, das die Dominikaner von Lippo Memmi (1285 bis 1357) aus Siena malen ließen. Der 28. Januar ist der Gedenktag des heiligen Thomas.
In der Mitte sitzt Thomas übergroß in einer Kosmos-Scheibe. Er hält ein Buch, in dem auf Latein steht: „Die Wahrheit spricht meine Zunge, Unrechtes ist meinen Lippen ein Gräuel“ (Buch der Sprichwörter 8,7). Oben thront mit dem Buch und im Gestus von Lehren und Offenbaren der Allherr Jesus Christus. Aus seinem Mund gehen Strahlen zu den Verkündern der Offenbarung: links Paulus mit Schwert und Schrift, ihm gegenüber Mose mit dem Zehnwort, dann die vier Evangelisten. Neben Thomas stehen links und rechts die antiken Philosophen Aristoteles und Platon. In Auseinandersetzung mit ihnen und inspiriert aus den Quellen der Offenbarung schuf Thomas seine Lehre. Unten liegt „besiegt“ sein Widerpart, der islamische Gelehrte Averroes. Ordensbrüder und andere Kleriker schauen zu Thomas auf oder disputieren über ihn. Unzählige Strahlen zeigen „Wege“ der Inspiration, die zu Thomas, aber auch von ihm aus gehen. Ein kräftiger Strahl, von Jesus Christus her, trifft Thomas direkt.
So zeigt dieses Bild nicht nur Thomas von Aquin als den Universalgelehrten, sondern auch, woher seine Inspiration kam, wie er sie aufnahm und weitergab. Er beschrieb einmal in einer einfachen Sentenz, worauf es ihm allein ankam: contemplari et contemplata aliis tradere, das heißt: „Betrachten und das in der Betrachtung Erfahrene anderen weitergeben“. Im Grunde ist dies eine treffende Definition geistlichen Lebens. So wurde diese Sentenz zu einem Leitgedanken dominikanischer Spiritualität, ganz im Sinn von Ordensgründer Dominikus, von dem gesagt wird, dass er nur mit Gott sprach und von ihm.
Kontemplation lässt sich etwa so umschreiben: mit den inneren Sinnen Ausschau halten, Gott, Jesus Christus zu sehen, seine Stimme und sein Wort zu hören, seinen Willen zu erkennen suchen. Ein solches „Betrachten“ geht nicht mit den Augen, sondern nur im Herzen, nicht von außen, sondern nur von innen. Letztlich führt es zur Versenkung in Gott. Wie der Apostel Paulus sagen zu können: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Galaterbrief 2,20), ist das Ziel von Kontemplation. Das ist das Markenzeichen der „Fachleute“, der „Kontemplativen“ in geistlichen Gemeinschaften und Orden – aber nicht nur, sondern auch das der Christen, die ja gerade deshalb Christen heißen.
Wir müssen nicht den „ganzen“ Thomas von Aquin kennen, sein schweres philosophisches und theologisches Denken verstehen. Wenn wir nur diese seine eine Sentenz begreifen und leben. (kh)