Freitag, 28. Januar 2022
Zeit der Wahrheit

Brisantes Papier: Rechtsanwalt Ulrich Wastl bei der Vorstellung des Münchner Missbrauchsgutachtens (Foto: Sven Hoppe/dpa-POOL/kna)
Bischöfe fordern nach Münchner Missbrauchsstudie Konsequenzen
Eine staatlich eingesetzte Wahrheitskommission könnte Missbrauch unabhängig aufarbeiten.
Angesichts der Ergebnisse des Missbrauchsgutachtens in München hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, Scham bekundet. Der Limburger Bischof sprach von einem „desaströsen Verhalten“ und erwähnte in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch Benedikt XVI. Sein Amtskollege, der Würzburger Bischof Franz Jung, zeigte sich offen für eine staatlich eingesetzte Wahrheitskommission zur Aufarbeitung von Missbrauch.
Bätzing räumte vor Teilnehmern eines Gottesdienstes in Trier ein, dass die katholische Kirche auch unter treuen Anhängern massiv an Vertrauen eingebüßt habe. Angesichts dessen, was die Münchner Studie zutage gefördert habe, müsse er eingestehen: „Manchmal schäme ich mich auch, dass wir eine solche Vergangenheit gehabt haben.“ Bätzing betonte: „Vertuscht, verdeckt wurde lange genug.“ Jetzt sei die Zeit der Wahrheit.
Das Gutachten bescheinigt mehreren Münchner Erzbischöfen und weiteren Angehörigen der Bistumsleitung Führungsversagen im Umgang mit Missbrauchstätern sowie fehlende Sorge für die Geschädigten. Die Studie erhebt in diesem Zusammenhang auch Vorwürfe gegen den früheren Papst Benedikt XVI., der von 1977 bis 1982 dem Erzbistum München-Freising vorstand.
Chance für Veränderung
Bischof Jung sagte der „Main-Post“, eine staatlich eingesetzte Wahrheitskommission könne die trotz aller redlicher Bemühungen der Bistümer stets neu geäußerten Zweifel an der Unabhängigkeit der Aufarbeitung zerstreuen. Außerdem werde so die Verantwortung in die Hände des Staates und der geltenden Gesetzgebung gelegt. So könnte gezeigt werden, dass Kirche keine Sonderwelt sei.
Zuvor hatte Jung gesagt, im Fokus stünden nun die noch lebenden Verantwortungsträger: „An ihnen ist es, sich zu den dargestellten Vorgängen zu verhalten und sich ihrer damit einhergehenden persönlichen Verantwortung zu stellen.“ Der Bischof erinnerte zuerst an das Leid der Betroffenen. In dem Gutachten werde das systemische Versagen von Kirche einmal mehr beschrieben.
Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend setzt auf den Reformdialog Synodaler Weg. Er biete die Chance für Veränderung, „aber nur, wenn die Synodalen das kirchliche System von Grund auf ändern, anstatt es zu schützen. Vom Vatikan sind Systemänderungen leider weiterhin nicht zu erwarten“, erklärte der Bundesvorsitzende Gregor Podschun. Zudem müsse es einen rechtlichen Rahmen geben, „in dem der Opferschutz mehr wiegt als die Persönlichkeitsrechte der Täter“. (kna)