Mittwoch, 06. April 2022
Der Friedensbote, sanft und demütig
Palmsonntag ist ein freudiges Fest und ein großer Bitttag für den Frieden in der Welt
Hosanna-Sonntag, so nennen die einheimischen Christen hier im Heiligen Land den Palmsonntag. Es ist einer der schönsten Tage im Kirchenjahr in Jerusalem, denn nachmittags findet eine große Prozession statt, in Erinnerung an den Einzug Jesu in Jerusalem vor zweitausend Jahren.
Ausgangspunkt der Prozession ist der Hof der Kirche von Bethfage (Feigenhaus), auf der Ostseite des Ölbergs gelegen. Sie führt dann über die Kuppe des Ölbergs, hinunter ins Kidron-Tal (am Garten Getsemani vorbei), dann den Berg wieder hoch durch das Stefanstor in die Altstadt hinein und endet im Hof von St. Anna. Dort hält der Lateinische Patriarch eine kurze Ansprache und gibt allen Anwesenden den Segen für die Karwoche.
Es ist die größte öffentliche Veranstaltung der Katholischen Kirche im Heiligen Land, eine der wenigen Gelegenheiten, zu welcher Christen aus dem Heiligen Land und Pilger aus aller Welt gemeinsam ihren Glauben feiern. Ein bunter Zug schlängelt sich da über den Ölberg: Pilger, Touristen, wie auch Pfadfinder, verschiedene Ordensleute, diverse Mitglieder geistlicher Gemeinschaften, die Seminaristen aus dem Priesterseminar, Gläubige aus den Pfarreien als auch Migrantengemeinden aus Indien, Philippinen und Sri Lanka mit ihren vielen Kindern. Und auch Christen aus den orthodoxen und orientalischen Kirchen sind unter den Gläubigen zu sehen. Man kann entweder mitgehen oder schaut vom Straßenrand zu und reiht sich immer wieder ein.
In Bethfage, dem Ausgangspunkt, stand schon in byzantinischer Zeit eine Kirche. Heute betreuen dort die Franziskaner eine kleine Kirche aus dem 19. Jahrhundert. In der Kirche ist ein würfelförmiger Stein von gut einem Meter Seitenlänge, bemalt mit Szenen aus dem Evangelium. Vor der Prozession wird in Bethfage das Evangelium vom Palmsonntag verlesen. In diesem Jahr hören wir den Einzug in Jerusalem nach dem Evangelisten Lukas. Nur Lukas schildert, dass die Jünger Jesus auf den Esel halfen. Jesus, der Sohn Davids, der Friedensfürst, lässt sich helfen. Demütig und bescheiden. Man kann sich gut vorstellen, wie die Jünger ihm auf den Stein halfen, damit er sich auf den Esel setzen konnte.
Der Palmsonntag oder der Hosanna-Tag ist ein freudiger Tag. Natürlich weiß man um das Geschehen der Kartage, natürlich weiß man die schwierige Lage, in der sich viele Christen auf der ganzen Welt befinden. Jedoch an diesem Tag wird miteinander gefeiert, wird dem Friedenskönig das Hosanna gesungen, wird Kraft geschöpft, die man braucht für den Weg des Kreuzes und die Tage der Verlassenheit, die unweigerlich kommen werden.
Obwohl es so viele und unterschiedliche Menschen sind, verläuft die Prozession sehr friedlich und freudig. Im letzten Jahr, ein paar Wochen später, gab es erneut eine Prozession in Jerusalem: hunderte von rechtsnationalen Jugendlichen der Siedlerbewegung wollten mit ihren Flaggen durch das Damaskustor in die Altstadt einziehen. Dies wurde zum Anlass eines kriegerischen Konflikts, bei dem Bomben und Raketen flogen, bei dem viele Menschen verwundet wurden und starben.
In diesen Tagen wird uns die Notwendigkeit eines echten und wahren Friedens wieder deutlich vor Augen gestellt. Für uns ist Christus der Friedenskönig: sanft, bescheiden, demütig, auf einem Esel reitend, nicht auf einem hohen Ross. Hosanna dem Sohne Davids. Heute ist der eigentliche Tag um das Lied „Tochter Zion“ (Gotteslob 228) zu singen und zu beten – für den Frieden in der Welt.
elias@dormitio.net