Donnerstag, 07. April 2022
Für Frieden und Versöhnung
Ein besonderer Ort in der Pfalz ist der Rittersberg bei Neustadt-Hambach, und dies nicht nur wegen einer grandiosen Aussicht in die Rheinebene über die Weinberge und das Hambacher Schloss.
Am Rittersberg steht das knapp zwei Jahre nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges errichtete Sühnekreuz. Es ist ein Mahnmal für Frieden und Versöhnung, besonders zwischen Frankreich und Deutschland. Vom Parkplatz unterhalb des Hambacher Schlosses aus erreicht man über den Pfälzer Weinsteig das in 483 Metern Höhe aufgestellte Holzkreuz.
Zur Sühne für unsere Schuld, errichtet von der Mannesjugend der Pfalz am 20. April im Notjahr 1947“, so lautet die ursprüngliche Inschrift des Sühnekreuzes auf dem Rittersberg oberhalb des Hambacher Schlosses. Initiator für die Errichtung dieses Kreuzes war der damalige Speyerer Domvikar Joseph Schwartz (1907 bis 1978), der als Jugendseelsorger des Bistums von 1936 bis 1951 tätig war. Die Friedensarbeit blieb ihm ein Anliegen, so war er von 1954 bis 1958 Pfarrer der neuen Friedenskirche St. Bernhard in Speyer. Danach wurde er Domkapitular in Speyer, neben dem Bauwesen und den katholischen Büchereien war er auch für die Pax-Christi-Bewegung im Bistum zuständig. Im Notjahr 1947 waren Hunderte junger, idealistisch gesinnter Männer aus der Pfalz dem Aufruf zur Errichtung eines Kreuzes gefolgt.
Den Standort des Kreuzes suchte Joseph Schwartz zusammen mit Karl Eyrich, Heinrich Lill und Ludwig Poh aus. Die Wahl fiel auf den Rittersberg, der auf 532 Meter Höhe die Rheinebene überragt und eine schöne Aussicht bietet. Doch waren enorme Schwierigkeiten zu überwinden. Da die Pfalz unter französischer Verwaltung stand, musste die Erstellung des Kreuzes von der französischen Militärregierung genehmigt werden, denn die Franzosen hatten auch das Hoheitsrecht über den Wald. Nach dieser Hürde und durch das Entgegenkommen eines Hambacher Waldeigentümers wurde die Erlaubnis erteilt.
Zuerst wurde ein Weg gebahnt, denn der im Zickzack verlaufende Serpentinenpfad mit steilem Anstieg hätte die Transporte erheblich erschwert. Mit dem zuständigen Förster wurden zwei Eichenholzstämme von passender Stärke und Länge gefunden. Die Vorbereitung und Einebnung des Platzes hatte sich die Jugend im Großeinsatz vorgenommen. Zimmermeister Kilian Kimmle aus Birkenhördt bekam den Auftrag für die Holzarbeit. Der Längsbalken maß zwölf Meter, der Querbalken fünf Meter. Der Altar mit seinen drei Stufen wurde aus den Felsen am Berg von den Hambacher Steinmetzen Eduard Bleh und Sohn in wochenlanger Handarbeit gehauen und erstellt. Holz, Kies, Zement und Eisenschienen wurden mit Schubkarren den steilen Berg hinauf transportiert und das Wasser vom Schlossplatz und von der Kühunger Quelle hochgeschleppt. Der Lohn der Handwerker und Arbeiter bestand lediglich aus einer täglichen warmen Mahlzeit, die von Hambacher Familien zubereitet und hochgetragen wurde.
Am 20. April 1947 war es dann soweit: An diesem strahlenden Frühlingsmorgen zogen von der Hambacher Kirche aus etwa 800 junge Männer aus der Pfalz, darunter viele ehemalige Kriegsteilnehmer, in einem Sühnekreuzweg zum Rittersberg. Viele von ihnen waren ausgehungert und geschwächt. Unter Gebeten und Gesängen ging es zum vorbereiteten Platz. Nach etwa zwei Stunden war es geschafft: Die beiden Balken wurden zusammengefügt und das Kreuz mit einer Winde hochgezogen. Domvikar Schwartz weihte das Kreuz und übergab es mit feierlichen Worten der Gemeinde Hambach. Anschließend feierte er am neuen Steinaltar die Messe.
Es war ein symbolträchtiger Tag. Denn der 20. April war der Geburtstag von Adolf Hitler, der in den Jahren vor und während des Krieges im Sinne des Führerkultes stets öffentlich begangen wurde. Der „Führer“, der den Deutschen das „Heil“ verheißen, aber ganze Völker ins Unheil gestürzt und millionenfachen Tod verursacht hatte. Dagegen wurde die Errichtung des Sühnekreuzes gestellt. Das Kreuz, Mahnmal für Leid und Tod, aber auch für Heil und Erlösung, sollte nach den Schrecken des „Tausendjährigen Reiches“ Symbol für eine versöhnte Zukunft werden, für Vergebung und Frieden.
Für einige Jahre gab es jedes Jahr am Fest „Kreuzerhöhung“ eine Prozession mit anschließendem Gottesdienst auf dem Rittersberg. 1980 fiel das inzwischen morsche Holzkreuz nach einem Unwetter um. Mehrmals spannte August Glas seinen Ochsen vor den Karren, beladen mit Kies, Sand und Wasser und trabte damit zum Kreuz hinauf. 1981 fand die Wiederaufrichtung mit großer Prozession und einem Gottesdienst statt. Um die Geschichte des Sühnekreuzes vor dem Vergessen zu Bewahren, plante der Hambacher Karl Beil, der 1947 das Kreuz zum Rittersberg mitgetragen hatte, mit einer Beleuchtung das Sühnekreuz weithin sichtbar zu machen. „Zur Zeit erlebe ich wieder, wie Friede und Mitmenschlichkeit verletzlich geworden sind. Wir müssen etwas dagegen tun“, erläutert Beil seine Initiative. Er nahm Verbindung auf zu Handwerkern, Technikern, Geschäftsleuten und Behörden. Ein Jahr lang trug er viele gute Überlegungen und Ideen zusammen, pflegte regen Briefwechsel und unternahm zahlreiche Behördengänge. Zwar konnten Forderungen der Umweltbehörde zur Beleuchtung sowie der Abwendung von Brandgefahr und Vandalismus durch Bemühungen von Privatleuten und Firmen erfüllt werden. Doch die geplante ursprünglich dreistündige Beleuchtung pro Tag, nochmals reduziert auf eine Stunde, scheiterte schließlich am angrenzenden Vogelschutzgebiet. Mühe und Einsatz von Karl Beil waren also vergeblich. Schade – denn Stellenwert, Tradition und Sinn dieses Mahnmals für Frieden und Versöhnung müssen im Bewusstsein bleiben. Christel Ochsenreither
Eine Kurzwanderung bietet sich vom Hambacher Schloss aus an (Parkplätze an der Zufahrtsstraße zum Schloss, mit Gebühren). Eine Rundwanderung von neun Kilometern Länge führt um Ritters- und Sommerberg, zur Hohen Loog und an den Bergstein bei Hambach mit einem Abstecher zum Sühnekreuz. Zum 75. Jubiläum der Errichtung des Kreuzes plant die Pfarrei Neustadt-Heilig Geist an Christi Himmelfahrt, 26. Mai, einen Gottesdienst am Rittersberg.