Freitag, 13. Mai 2022
In der Logik Jesu

Zeichen der Solidarität: Papst Franziskus hält eine Ukraine-Flagge aus Butscha, wo russische Soldaten Massaker verübt haben. (Foto: kna/Romano Siciliani/Vatican Media)
Warum sich Papst Franziskus zum Krieg so verhält, wie er sich verhält
Nach Russlands Überfall auf die Ukraine setzt der Papst auf traditionelle Diplomatie und sucht das Gespräch mit Moskau.
Dass Franziskus den Überfall auf die Ukraine seit Beginn des Krieges scharf verurteilte, die Ukrainer ständig seiner Solidarität versicherte, reichte vielen nicht. Sie wollten, dass er den Aggressor beim Namen nennt. In einem Interview mit der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ tat er das nun erstmals und sagte, er wolle lieber nach Moskau statt nach Kiew reisen. Der Papst als Putin-Versteher?
Während in den vergangenen Wochen die halbe politische Führung des Westens nach Kiew reiste, nimmt der Papst zunehmend Abstand davon. „Zuerst muss ich nach Moskau gehen, zuerst muss ich Putin treffen“, sagte er. Er sei allerdings nur ein Priester und könne nur tun, was ein Priester tun könne – das Gespräch suchen.
Dabei sucht Franziskus nicht nach Rechtfertigungsgründen, aber doch nach Faktoren, die Putins Entscheidungen beeinflusst haben könnten. Vielleicht habe das „Bellen der Nato an Russlands Tür“ den Kremlchef zum Auslösen des Konflikts veranlasst, mutmaßte er. „Ein Zorn, von dem ich nicht sagen kann, ob er provoziert wurde, aber vielleicht begünstigt.“
Franziskus will sich nicht vereinnahmen lassen
Franziskus bleibt der Tradition päpstlicher Diplomatie treu, sich nicht zu sehr auf eine Seite ziehen zu lassen. Er will selbst noch so dünne Gesprächsfäden nach Moskau nicht abreißen lassen. Besonders wichtig ist ihm dies bei einem Konfliktbeteiligten, der auf einem riesigen Arse-nal von Atomwaffen sitzt. Franziskus möchte Putin aus der Ecke holen – in der Russlands Präsident noch heftiger um sich schlagen könnte.
Inzwischen setzt Franziskus bei seinem Bemühen um Vermittlung weniger auf den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. Im Interview sagte er: „Der Patriarch kann sich nicht zum Messdiener Putins machen.“ Das ist nicht mehr die vornehm zurückhaltende vatikanische Diplomatensprache. Moskaus Antwort ließ nicht auf sich warten: Der Papst habe sich im Ton vergriffen. Ein für Mitte Juni geplantes Treffen der beiden Kirchenoberhäupter ist inzwischen abgeblasen.
Franziskus stellt das Recht auf Selbstverteidigung nicht grundsätzlich infrage, wiederholte aber seine Zweifel am Nutzen von Waffenlieferungen an die Ukraine. Die Russen wüssten nun, dass ihre gepanzerten Fahrzeuge wenig nützten – „und denken schon an andere Dinge“, sagt der Papst im Interview. Der Pontifex denkt in der Logik Jesu und dessen Bergpredigt.
Wer, wenn nicht der Papst, sollte das tun? Das legt er nicht nur seinem orthodoxen Bruder Kyrill eindringlich ans Herz – sondern allen Menschen.(kna)