Freitag, 13. Mai 2022
Erstmaliger Austausch

Die Aufarbeitungskommissionen wollen Strukturen in der katholischen Kirche aufdecken, die Missbrauch ermöglichen, vertuschen und fördern. (Foto: kna)
Vorsitzende der Aufarbeitungskommissionen für sexuellen Missbrauch trafen sich
Rund zwei Jahre nach einer Grundsatzvereinbarung gibt es mittlerweile in 16 von 27 katholischen Bistümern in Deutschland Unabhängige Aufarbeitungskommissionen für sexuellen Missbrauch. Das teilten die Kommissionsvorsitzenden am 6. Mai nach einer Arbeitstagung in Fulda mit.
Ziel des erstmaligen gemeinsamen Treffens sei es gewesen, „sich über den Stand der Entwicklung in den Bistümern auszutauschen, voneinander zu lernen, um Synergieeffekte zu erreichen und Strategien der Aufarbeitung abzustimmen, die den Betroffenen bestmöglich gerecht wird und zukünftigen Missbrauch verhindern hilft“. Im Herbst wollen die Vorsitzenden der Kommissionen aus ihrem Kreis zudem eine vorsitzende Person und zwei Stellvertretungen wählen.
Die Deutsche Bischofskonferenz hatte 2020 als erste Institution in Deutschland mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung Kriterien zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch vereinbart. Auf dieser Grundlage soll es in allen 27 katholischen Bistümern Aufarbeitungskommissionen geben, die nach einheitlichen Standards arbeiten. Mitglieder in den Unabhängigen Kommissionen sind insbesondere Fachleute aus der Justiz, der psychosozialen Versorgung, der Wissenschaft und der öffentlichen Verwaltung, außerdem Bistumsmitarbeitende sowie in der Regel zwei Mitglieder des Betroffenenbeirates.
Aufgabe der Kommissionen sei „die Aufdeckung von Strukturen in der katholischen Kirche, die Missbrauch ermöglichen, vertuschen und fördern“. Die Aufarbeitungskommissionen wollen „sowohl Täter identifizieren wie auch Verantwortliche benennen, die mit dem Vertuschen der Taten die Institution Kirche und die Täter geschützt haben“. Bei dem ersten Treffen der Kommissionsvorsitzenden sei auch besprochen worden, welche Möglichkeiten es gebe, das sogenannte Dunkelfeld zu erhellen.
Die Kommissionsvorsitzenden wollen alle Menschen ermutigen, die bisher über ihre Erfahrung mit sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche geschwiegen haben, mit den Unabhängigen Ansprechpersonen oder den Missbrauchsbeauftragten in den Bistümern zu sprechen. Nur so könnten „diese Erfahrungen anerkannt werden“ und in die künftige Interventions- und Präventionsarbeit einfließen.
Bernhard Scholten, Vorsitzender der Unabhängigen Aufarbeitungskommission im Bistum Speyer, hatte als Mitglied eines Teams die Arbeitstagung in Fulda mit vorbereitet. Die Vernetzung und der Austausch unter den Kommissionsvorsitzenden sei sehr wichtig, sagte Scholten im Gespräch mit dem „Pilger“. Überrascht habe ihn die unterschiedliche Qualität der Zusammenarbeit zwischen den Aufarbeitungskommissionen und den Verantwortlichen in den Bistümern.
Scholten berichtet von teilweise geschwärzten Fallakten, die einzelne Kommissionen erhielten. Es gäbe aber auch positive Beispiele. „In der Diözese Speyer ist die Unterstützung vorbildlich. Wir bekommen sogar Einblicke in ganz aktuelle Schriften.“ Damit jede Aufarbeitungskommission über die gleichen Rechte verfügt, fordert Scholten einheitliche Standards, die von den Bistümern eingehalten werden müssen.
Dass trotz des im Jahr 2020 getroffenen Beschlusses der Deutschen Bischofskonferenz, Aufarbeitungskommissionen in den Diözesen zu installieren, es bislang immer noch nicht überall solche Gremien gibt, kann der ehemalige Ministerialdirigent im rheinland-pfälzische Sozialministerium nicht nachvollziehen. Bis Ende 2021 hätten neun Kommissionen ihre Arbeit aufgenommen. Von Januar bis April dieses Jahres seien dann sieben hinzugekommen, und bis zum Sommer hätten weitere acht Diözesen konstituierende Sitzungen geplant. (kna/pede)