Mittwoch, 21. September 2022
Eine Haltung des Vertrauens ist nötig

Markus Magin an seiner anderen Wirkungsstätte: Als Regens leitet Magin das Speyerer Pastoralseminar St. German und verantwortet die Ausbildung der Priesterkandidaten. (Foto: Scherer (is))
Pilger-Interview mit Generalvikar Markus Magin über seine ersten Monate im Amt und die kommenden Herausforderungen
Seit etwas mehr als 100 Tagen ist Markus Magin als Generalvikar des Bistums Speyer im Amt. Wir baten den Speyerer Regens und Stellvertreter des Bischofs im Gespräch um eine Bilanz und einen Blick nach vorne.
Herr Magin, wenn Sie auf die vergangenen drei Monate zurückschauen – was bewegt Sie da, wie geht es Ihnen heute in und mit Ihrer immer noch neuen Aufgabe?
Diese letzten Wochen und Monate waren schon eine große Herausforderung, denn es hieß und heißt, ständig Neues zu lernen, ständig Neues zu entdecken, ständig Neues zu bearbeiten und neue Aufgaben zu übernehmen. Das ist schon eine große Herausforderung. Aber, ich muss das so sagen, es steckt auch eine große Faszination darin, zu sehen, wie vielfältig das Leben in unserem Bistum ist. Sicherlich habe ich in meinen bisherigen Aufgaben schon eine große Bandbreite der Arbeit des Bistums kennengelernt. Aber als Generalvikar erlebe ich noch einmal neu, was das heißt, „das Bistum Speyer“. Faszinierend, wie viele Dinge da laufen, wie viele Menschen sich da engagieren und sich für den Aufbau des Reiches Gottes einsetzen.
Sie haben noch eine zweite Aufgabe, nämlich die des Regens und Leiters der Priesterausbildung. Geht das denn überhaupt, diese beiden verantwortungsvollen Aufgaben nebeneinander? Alleine der Bereich des Generalvikars dürfte ja einen Terminkalender schon reichlich füllen. Haben Sie überhaupt noch freie Zeit – zum Durchatmen, zur Besinnung, zum Kräftesammeln?
Es fordert mich schon sehr, beide Aufgaben zeitgleich auszufüllen. Und das wird auf Dauer auch nicht möglich sein. Zur Frage nach Freizeit – nun, da kann ich sagen, die gibt es im Moment nur sehr, sehr eingeschränkt. Wichtig ist mir, dass ich mein geistliches Leben dennoch gestalten und leben kann, um daraus auch immer wieder die Kraft zu finden, mit all dem Neuen und Herausfordernden zurecht zu kommen. Es ist derzeit schon so, dass ich die Aufgabe als Regens „halt“ noch so mitführe, und dass die Aufgabe als Generalvikar sehr breiten Raum einnimmt. Gott sei Dank gibt es im Priesterseminar tolle und kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf die ich mich verlassen kann und die wissen, worauf es ankommt und was zu tun ist. Also, es ist schon möglich, aber es wird keine Perspektive auf Dauer sein können, beide Aufgaben zusammen auszuführen.
Die nächste Frage richtet sich wieder eher an den Generalvikar – was steht für Sie besonders an in den nächsten Wochen und Monaten? Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?
Für mich persönlich steht zunächst natürlich an, die Aufgabe als Generalvikar immer besser kennenzulernen, mich weiter in den Strukturen einzufinden. Es wird wohl noch längere Zeit dauern, bis ich da gut zu Hause bin.
Was in besonderer Weise ansteht, ist die Frage nach der guten und hilfreichen Bearbeitung all der Themen um den sexuellen Missbrauch. Im Vordergrund steht die Prävention, also das vorbeugende Wirken, damit Missbrauch gar nicht erst geschieht. Wo etwas auftaucht, sind die Intervention, das Betreuen und Begleiten, ganz wichtig als einer unserer Schwerpunkte. Und schließlich die Aufarbeitung dessen, was in den vergangenen Jahrzehnten unseres Bistums passiert ist, wo Menschen Leid zugefügt wurde und wo dieses nicht in entsprechender Weise bearbeitet wurde. Das alles ist eine große Herausforderung und ein Schwerpunkt. Aber auch hier fasziniert mich die Arbeit unseres Betroffenenbeirates: Von diesen Menschen habe ich schon vieles gelernt – zunächst einmal auch, welche Perspektive wir als Kirche einnehmen müssen. Das gilt es zu lernen, für mich, für uns alle als Bistum Speyer.
Was darüber hinaus ansteht, ist die Frage: Wie schaffen wir es im Bistum Speyer, auch in Zukunft den Auftrag des Evangeliums auszuführen – den Auftrag Jesu „Geht in alle Welt und verkündet den Menschen die Frohe Botschaft!“ Wie geht das angesichts immer weniger werdender Ressourcen: an Personal, an Finanzmitteln, an Engagement von Haupt- und Ehrenamtlichen. Trotzdem muss der Auftrag Jesu immer im Vordergrund stehen und die Frage, wie wir ihn erfüllen können. Das wird die große Herausforderung gerade in den kommenden Monaten sein, in der es darum geht, den Bistumshaushalt Schritt für Schritt bis 2030 abzusenken um 15 Prozent (oder 30 Millionen Euro) etwa. Diese Vorgabe kommt aus dem Diözesansteuerrat, der die Verpflichtung hat, dafür zu sorgen, dass das Bistum seine finanziellen Verpflichtungen auch langfristig noch erfüllen kann.
Sparen, Schwerpunkte setzen, über Arbeitsfelder entscheiden – das klingt eher nach einer schwierigen Aufgabe. Was hilft Ihnen in dieser Situation weiter, worauf vertrauen Sie?
Es sind zwei große Standbeine, auf die ich vertraue: Zunächst einmal der Glaube, die Überzeugung, dass diese Kirche auch im Bistum Speyer Kirche Jesu Christi ist und dass er seine Kirche begleitet mit seinem guten und heiligen Geist. Zum Zweiten sind es dann aber auch Menschen, die dafür zusammenarbeiten. Ob es in einem Lenkungskreis für den Strategieprozess ist, ob es in der Diözesanversammlung ist, ob es der Allgemeine Geistliche Rat ist, ob es die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedenen Abteilungen unseres Ordinariates sind – an ganz, ganz vielen Stellen gibt es da hohe Kompetenz, auf die ich vertrauen und mich verlassen kann. Vielfach heißt es – „Ja, der Generalvikar hat eine schwere Aufgabe“. Das kommt einem dann so vor, als müsste der Generalvikar alles alleine machen. Aber es ist ganz im Gegenteil doch so, dass viele miteinander arbeiten, damit solche schwierigen Prozesse für uns alle im Bistum gelingen können.
Welche Haltung ist Ihnen in der kommenden Spardiskussion wichtig? Haben wir Christen dafür eine Art Handlungsanweisung, die wir befolgen können?
Nun im Evangelium oder allgemein in der Bibel steht leider nicht, wie man einen Strategie- und einen Sparprozess gestaltet. Das wäre nicht nur für uns im Bistum Speyer, sondern an vielen Stellen viel einfacher. Aber die nötige Grundhaltung ist eine Haltung des Vertrauens, darauf, dass Jesus Christus mit seiner Kirche geht und sie begleitet. Es geht darum, mit dieser Haltung voranzugehen und zu vertrauen, dass die Menschen, die in unserem Bistum Verantwortung tragen, nicht nur die eigenen Aufgaben- und Verantwortungsbereiche sehen und nicht nur dafür sorgen, dass in ihrem eigenen Bereich möglichst wenig durch Sparen passiert, sondern, dass sie vielmehr den Blick auf das Ganze richten. Was ist unser Auftrag von Jesus Christus her, was ist hilfreich und gut als Vision für unser Bistum, um einen guten Weg in die Zukunft zu gehen – darum geht es. Wenn es uns im Vertrauen auf Jesus Christus gelingt, den Blick immer wieder auf das Ganze zu lenken, dann bin ich sehr zuversichtlich, dass wir auch in solch schwierigen Fragen und Herausforderungen einen guten Weg finden.
Wie schätzen Sie es vom geistlichen Standpunkt ein: Was brauchen die Verantwortlichen im Bistum in nächster Zeit und was die Gläubigen – worauf kommt es also für alle Beteiligten jetzt an?
Ich glaube, es macht tatsächlich keinen Unterschied, ob das jetzt Verantwortungsträger in irgendwelchen Positionen oder Gläubige sind – denn alle sind letztendlich verantwortlich dafür, dass die Sendung Jesu Christi in unserer Kirche im Bistum Speyer gelingt. Was es brauchen wird, sind ein Stück Gottvertrauen, den Blick auf das Ganze, ein gutes Miteinander und auch eine große Portion Gelassenheit.
Können Sie uns einen Einblick geben, wie dieser Prozess ablaufen soll und wie die Menschen im Bistum dabei mitgenommen werden?
Ausgangspunkt ist die Vision, die unser Bischof im vergangenen Dezember nach vielen Beratungen dem ganzen Bistum übergeben hat. Davon wurden sogenannte strategische Ziele abgeleitet, die erste Themenschwerpunkte für die Arbeit des Bistum in den kommenden Jahren erkennen lassen. Diese Ziele wurden während der vergangenen Monate intensiv in der Diözesanversammlung beraten und werden nun in einem nächsten Schritt konkretisiert: zum Beispiel beim Handlungsfeld Klimaneutralität – im Zusammenwirken mit dem Umweltbeauftragten.
Zudem wurde in sorgfältigen Beratungen von einem sogenannten Lenkungskreis unter Beteiligung der entsprechenden Fachstellen des Bischöflichen Ordinariates ein Sparkonzept erarbeitet. Dessen Grundüberlegungen werden am 1. Oktober im Rahmen einer Sitzung der Diözesanversammlung vorgestellt – zudem werden alle Mitarbeitenden des Bistums informiert. In der Folgezeit wird es verschiedene Infoveranstaltungen geben, bei denen die Gelegenheit besteht, nochmals konkrete Fragen zu stellen. Unser Bischof hat die Diözesanversammlung gebeten, intensiv über diesen Vorschlag eines Sparkonzeptes zu beraten und gegebenenfalls nochmals Veränderungsvorschläge einzubringen.
Anfang November soll die Diözesanversammlung schließlich dem Bischof ein Votum mitgeben, an welchen Stellen künftig gespart werden muss. Selbstverständlich finden alle Beratungen der Diözesanversammlung öffentlich statt. Und unsere diözesanen Medien wie „der pilger“ und die Bistums-Homepage werden ausführlich berichten.
Wir stehen da vor einer großen Aufgabe für uns alle. Denn es wird auch schmerzhafte Einschnitte geben müssen. Wenn wir aber auch mittel- und langfristig als Kirche von Speyer den Auftrag Jesu Christi erfüllen wollen, kommen wir leider nicht um solche Schritte drumherum. Das ist die große Verantwortung unserer Tage für die Zukunft unseres Bistums. (Fragen: Felix Scherer, Hubert Mathes)
Hinweis: Dieses Interview findet sich in Auszügen auch als Videoclip auf der Internetseite des Bistums www.bistum-speyer.de