Mittwoch, 14. Dezember 2022
„Nicht nachlassen!“

Plädoyer für Solidarität: Flüchtlingsbischof Stefan Heße (hier während eines Gottesdienstes in der ukrainisch-katholischen Allerheiligenkirche in Hamburg). (Foto: kna/Lars Berg)
Flüchtlingsbischof Heße fordert eine humanere EU-Flüchtlingspolitik
In diesem Winter rechnet Erzbischof Heße mit noch mehr Flüchtlingen – schon wegen Russlands Krieg.
Der katholische Flüchtlingsbischof Stefan Heße kritisiert das oft gewaltsame Zurückdrängen von Migranten, die nach Europa gelangen wollen. „Mittlerweile scheinen Pushbacks an den EU-Außengrenzen zum Alltag zu gehören – eine inakzeptable Verletzung des Völkerrechts“, sagte der Erzbischof von Hamburg der Katholischen Nachrichten-Agentur.
Darin warnte er davor, Parallelen zu der sogenannten Flüchtlingskrise von 2015 zu ziehen. Derartige Vergleiche hätten „nicht selten einen dramatisierenden Unterton und helfen wenig, die aktuellen Herausforderungen anzugehen“.
Nicht zuletzt durch den Ukraine-Krieg sei von weiteren Fluchtbewegungen in diesem Winter auszugehen, sagte Heße, der Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen der Deutschen Bischofskonferenz ist. Mit seinen Angriffen auf die ukrainische Infrastruktur setze Russland nun gezielt Kälte als Waffe gegen die Zivilbevölkerung ein. „Deshalb müssen wir damit rechnen, dass die Zahl der Geflüchteten weiter steigt. Dies gilt sowohl für die Binnenvertriebenen als auch für Menschen, die im Ausland Schutz suchen.“
„Ein großer Leidensdruck“
Bereits heute habe die kirchliche Flüchtlingshilfe beide Gruppen im Blick, betonte Heße. „So trägt die Arbeit der Hilfswerke maßgeblich dazu bei, dass notleidende Menschen in der Ukraine Lebensmittel und medizinische Versorgung erhalten. Und auch in Deutschland oder Polen übernehmen die Diözesen, Kirchengemeinden und kirchlichen Wohlfahrtsverbände eine wichtige Rolle, wenn es um die Aufnahme und Begleitung ukrainischer Flüchtlinge geht.“ Es handle sich um eine langfristige Aufgabe, fügte der Erzbischof von Hamburg hinzu. „Wir dürfen in unserem Engagement nicht nachlassen!“
Heße sagte, er hoffe, dass sich die EU-Mitgliedsstaaten über die Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen einigen. Bei einem Besuch Ende November bei den EU-Institutionen in Brüssel habe er gespürt: „Es besteht ein großer Leidensdruck, dass die Reform der europäischen Flüchtlingspolitik in dieser Legislaturperiode des Europaparlaments – das heißt bis Frühjahr 2024 – endlich gelingt.“
Heße betonte: „Statt problematischer Ad-hoc-Lösungen brauchen wir eine verlässliche Basis für mehr Solidarität und Humanität.“ Bei seinen Gesprächspartnern habe es zumindest die vorsichtige Hoffnung gegeben, „dass man sich in absehbarer Zeit auf ein neues Migrations- und Asylpaket verständigen kann. Die vergleichsweise unkomplizierte Aufnahme ukrainischer Schutzsuchender zeigt, was mit dem entsprechenden politischen Willen möglich ist.“ (kna)